02 HISTORIE Ungnad von Weissenwolff

Die Ungnad von Weissenwolff sind seit dem spĂ€ten 12. Jahrhundert als Ministerialen der Bamberger Bischöfe in KĂ€rnten nachgewiesen. Ihr Gut Waldenstein, das im Tal der Lavant etwa 14 km nordöstlich von Wolfsberg (zwischen Klagenfurt und Graz) liegt, ist seit 1282 Lehen des Bistums Bamberg – was die in der Literatur angegebene Herkunft aus Franken zu bestĂ€tigen scheint. Der 1192 als erster urkundlich erwĂ€hnte Otto kĂ€mpft auf der Seite Rudolfs von Habsburg. Die zunĂ€chst im östlichen KĂ€rnten, und seit dem 15. Jahrhundert auch in der Steiermark, landsĂ€ssigen Ungnad, leiten ihren frĂŒhen Lehensbesitz von den Erzbischöfen von Salzburg her und vom Kloster St. Paul (Lavanttal). Das Wappentier – der weiße Wolf – tritt wieder 1646 mit der Erhebung in den Reichsgrafenstand mit dem PrĂ€dikat „von Weissenwolff“ in den Vordergrund, bzw. zur spĂ€teren Abgrenzung innerhalb des Geschlechts. Bis dahin wird das Geschlecht oft nach der 1442/44 gekauften Herrschaft als „Freiherren von Sonnegg“ bezeichnet.

1552 erwirbt Andreas I. Ungnad die Krainer Landstandschaft. 1566 wird David I. Ungnad (1535 – 1600) in den Herrenstand von Österreich ob der Enns und 1586 in den Alten Herrenstand von Niederösterreich aufgenommen. 1593 erhĂ€lt er das ungarische Indigenat, d.h. die offizielle Aufnahme in den ungarischen Adel. Kaiser Friedrich III. erhebt Hans I. (†1481) 1462/63 als „Herrn von Sonnegg“ in den nicht erblichen Reichspanierherrenstand und in den erblichen erblĂ€ndischen Freiherrenstand. Die Herrschaft Sonnegg in der NĂ€he von Völkermarkt in KĂ€rnten hat dieser zuvor als namengebenden Sitz seiner Familie im Jahre 1442 erworben[1].

Besonders beachtlich ist die etwa 5 km nördlich von Sonnegg sich befindende Familiengrablege in der Stiftskirche des vormaligen Augustiner-Chorherrenstifts Maria Himmelfahrt von Eberndorf. Seit 1378 ist die romanische Kirche durch einen gotischen Bau ersetzt worden (Chor mit Krypta 1378 – 1391). Das Langhaus wird dann 1596 erneuert. Wegen der TĂŒrken- und UngarneinfĂ€lle wird die Anlage zu einer wehrhaften Klosterburg ausgebaut. An der SĂŒdseite des Langhauses liegt in der LĂ€nge von dreieinhalb Langhausjochen die Ungnad-Kapelle, unter der frĂŒher eine Quelle gesprudelt hat. Über deren romanischen und gotischen Bauelementen erhebt sich ein fĂŒnfjochiges spĂ€tgotisches Sternrippengewölbe. Die Kapelle birgt die beachtenswerte Tumba in rotem Marmor mit der lebensgroßen Skulptur Christoph Ungnads in voller RĂŒstung (siehe unten). Auch seine BrĂŒder Hans I. und Georg sind in Eberndorf begraben worden, ingesamt 37 Angehörige vor 1500. Von Georg Ungnad rĂŒhrt die Stiftung (1466) des ungewöhnlich großen sogenannten Ungnad-Kelches von Maria Saal her.

Auch deren Verwandtschaft der Lochner von Liebenfels ist in der Ungnad-Kapelle beigesetzt worden: so Andreas Lochner, der zudem Propst von Kloster Eberndorf in der Zeit von 1532 – 1544 ist (siehe unten), sowie dessen Schwester Barbara Lochner, verheiratete Welzer von Eberstein (vergleiche: 03 LVW / LVL HISTORIE )[2].

Andreas Lochner
von Liebenfels



In den erblichen Reichsfreiherrenstand – mit dem PrĂ€dikat „von Sonnegg“ – werden die drei BrĂŒder Hans III. Ungnad, Christoph II. (†~1525) und Andreas I. (10.02.1499 – 21.03.1557) von Karl V. 1522 in BrĂŒssel erhoben. Privilegien, vor allem fĂŒr ihr Eisenbergwerk Waldenstein, legen einen Grundstein zum Reichtum der Familie. HauptsĂ€chlich in KĂ€rnten, spĂ€ter auch in Kroatien, besitzt die Familie weitere Bergwerke. Die darin gewonnenen Erze werden zum Teil auch in eigenen ProduktionsstĂ€tten weiter veredelt.-

Offenbar hat innerhalb der Familie, durch die Rekatholisierung bzw. RĂŒckkehr des David II. Ungnad (1604 – 06.03.1672) nach Österreich, eine Art „spĂ€te Abgrenzung“ zum Protestantismus in dieser Linie stattgefunden, der vor allem mit seinem berĂŒhmten Onkel Hans III. Ungnad von Weissenwolff, verbunden ist. Wer von den adeligen StĂ€nden Österreichs nicht bereit ist zu konvertieren, hat als Protestant seine Heimat fĂŒr immer verlassen mĂŒssen. Erst Kaiser Joseph II., der Sohn der Maria Theresia, ein in seiner Zeit weit voraus denkender Habsburger, erlaubt die Religionsfreiheit – ganz im Gegensatz zu seinen engstirnigen Vorfahren.

So wird der Neuanfang – sprich die offensichtlich freiwillige Rekatholisierung – ja auch vom Kaiser sofort registriert und entsprechend „belohnt“: Kaiser Ferdinand III. beschert David II. (Ungnad) 1646 die Erhebung zum „Graf und Herrn von Weissenwolff, Freiherr von Sonn- und Ennsegg“ mit „Hoch- und Wohlgeboren“ unter gleichzeitiger Verleihung des Großen Palatinats in den erblichen Reichsgrafenstand. Es wird ihm zudem das Erblandhofmeisteramt in Österreich ob der Enns verliehen. Als Personalist war David II. (Ungnad) – Graf von Weissenwolff – Mitglied des SchwĂ€bischen Reichsgrafenkollegiums.

Das Thema „Protestantismus oder Katholizismus“ dĂŒrfte bereits zu Zeiten Margarethe Lochners von Liebenfels, verheiratete Ungnad von Weissenwolff, der Mutter Hans III. Ungnad von Weissenwolff, einen bitteren Nachgeschmack, um nicht zu sagen, Anlass zu Streit innerhalb der Familie gegeben haben, da Hans III. glĂŒhender Lutheraner gewesen ist, wie höchstwahrscheinlich Margarethe ebenso – und der Tatsache, dass seine Schwester Polyxena mit einem Herrn aus spanischen Hochadel vermĂ€hlt ist. Beide bekleiden hohe Ämter als Katholiken am Wiener Hof der Habsburger. Mit ihrem Ehemann Don Pedro Lasso de Castilla ist sie in der Augustinerkirche begraben worden. Deren Tochter Ana Maria Lasso de Castilla ist als Prinzenerzieherin tĂ€tig und sogar Patin eines der Kinder von Kaiser Maximilian II., bevor sie in den katholischen Hochadel, der noch heute existierenden Fernandez de Cordoba einheiratet.

Ihre Nachfahrinnen tragen sicher nicht umsonst den Namen ihrer tatkrĂ€ftigen Urur-Großmutter Margarethe Lochner.-



Hans I. ist ein enger Berater von Kaiser Friedrich III. (Teil des „steirischen Triumvirats“[3]). Seine Ehe mit Richarda von Pernegg (Tochter des Hofmeisters Wilhelm von Pernegg) eröffnet ihm den Zugang zum landesfĂŒrstlichen Hof.

1436 begleitet er diesen nachmaligen Kaiser als Hofmarschall auf eine Pilgerreise ins Heilige Land, als der noch Herzog Friedrich V. von Österreich gewesen ist. Dieser ernennt ihn 1436 – 1441 zu seinem Hofmarschall, ĂŒbertrĂ€gt ihm zudem das Amt des Kammermeisters, und er ist Rat und Beisitzer bei Kammergerichtsprozessen auf Lebenszeit, was darauf schließen lĂ€sst, dass er das absolute Vertrauen seines Herrn genossen hat. Wie Paul-Joachim Heinig in seinem umfangreichen Werk ĂŒber Kaiser Friedrich III. bemerkt (siehe Fußnote 1), entwickelt Hans I. „erstaunliche reichspolitische AktivitĂ€ten, nicht nur auf dem Feld seines engeren Amtes, sondern auch als königlicher Diplomat“. 1442 ist er auf dem Krönungszug nach Aachen in Augsburg und NĂŒrnberg nachgewiesen, 1444 erscheint er in Passau und NĂŒrnberg beim Reichstag, 1446 zur Vorbereitung der Heirat der Königsschwester Katharina mit Markgraf Karl von Baden in Konstanz, 1447 in diplomatischer Mission in Italien, sowie 1452 in Pisa und Rom. 1458/59 war er Teil der Ratsdeputation Kaiser Friedrichs III., welche in Niederösterreich ĂŒber dessen HerrschaftsĂŒbernahme verhandelt und schließlich den Huldigungseid von Niederösterreich und Wien entgegengenommen hat; beteiligt ist Hans I. auch an der Beilegung der Konflikte um das Herzogtum Bayern-Ingolstadt.

In den Jahren nach der Kaiserkrönung mindert sich der Einfluss der drei betagten Innerösterreicher. Als fĂŒhrender Adeliger im Umkreis des Kaisers ist Hans I. im Reich bekannt und umworben, was ihm neben reichen Geschenken erbitterte Feindschaften eintrĂ€gt (vor allem Ulrich von Eizing). Die Tiroler StĂ€nde lassen ihn wegen des Konflikts um die Vormundschaft ĂŒber Sigmund von Tirol auf einer Reise in der NĂ€he von Bozen gefangen nehmen. Seine Mitwirkung an der Heirat Herzog Friedrichs von Sachsen mit Anna, der Tochter König Albrechts II., lohnt ihm der BrĂ€utigam mit 2000 fl. und bescheinigt Hans I. schriftlich, dass er sich nicht nur ihm, sondern auch Land und Leuten förderlich erwiesen habe. Hans I. tĂ€tigt fĂŒr und mit Friedrich III. zahlreiche GeldgeschĂ€fte und ist des Weiteren dessen GlĂ€ubiger und Schuldner. Sein Vermögen ist dadurch erheblich gewachsen. Kaiser Friedrich mehrt dessen Besitz insbesondere in KĂ€rnten, der Steiermark und in der Grafschaft Cilli (heute Slowenien).

Seine jĂŒngeren BrĂŒder unterstĂŒtzen Hans I. bei Hof. Wolfgang (†~1453, kaiserlicher KĂ€mmerer) und Georg (†1468) sind bei der Kaiserkrönung Friedrichs in Rom zugegen. Georg ist spĂ€testens seit 1555 Rat Friedrichs III., 1457 Urkundenreferent, 1463 kaiserlicher Steuereinnehmer und erhĂ€lt, wie sein Bruder Hans I., das Privileg persönlichen Gerichtsstands vor dem Kaiser. Christoph (1425 – 11.01.1481) und Georg pflegen zudem „…die bisher völlig ĂŒbersehenen“ Besitz- und VerwandtschaftsverhĂ€ltnisse nach Bayern (siehe: Heinig, S. 179). Zudem ist er ebenfalls Rat Friedrichs III. und Burggraf von Ober-Cilli. Er bewĂ€hrt sich bei mehreren TĂŒrkeneinfĂ€llen, und wĂ€hrend Friedrichs zweitem Romzug ist er Mitglied des steirischen Verweser-Regiments. 1451/52 bringt er Eleonora, die zukĂŒnftige Gemahlin Friedrichs III., von Portugal ĂŒber Pisa (dort stĂ¶ĂŸt Hans I. dazu) und Siena in Italien (dort wartet Friedrich III.) nach Rom, wo VermĂ€hlung und Kaiserkrönung stattfinden. Er begleitet den Kaiser weiter nach Neapel, wo er als Turnierteilnehmer bezeugt ist. Hans’ I. Tochter Anna ist zu dem Zeitpunkt HoffrĂ€ulein bei Kaiserin Eleonora.

Von den o.g. BrĂŒdern setzt nur Christoph (1425 – 11.1.1481), vermĂ€hlt mit Anna Frauenberg zu Haag, den Stamm mit seinem Sohn Hans II. (1465 – 1521) fort. Dieser vereinigt den Familienbesitz in einer Hand und ist dennoch ebenso – wie seine Söhne – zu bedeutenden VerĂ€ußerungen genötigt. Er nimmt 1491 am Turnier Kaiser Maximilians I. in NĂŒrnberg teil, kĂ€mpft gegen die TĂŒrken und ist wohl zeitweise der Stellvertreter des KĂ€rntner Landeshauptmanns Rudolf KhevenhĂŒller. Seine Frau wird Margarethe, eine Tochter Konrad Lochners und der Dorothea von Radlkofen. Ihre Söhne Hans III. Ungnad von Weissenwolff und Andreas I. setzen den Familienstamm fort.

Hans III. Ungnad von Weissenwolff (19.11.1493 – 27.12.1564) hat als Landeshauptmann der Steiermark (1530–1554) eine fĂŒhrende Rolle in der Habsburgermonarchie und wirkt spĂ€ter als herzoglich-wĂŒrttembergischer Rat fĂŒr die Reformation im ganzen Reich. Als Betreiber der Uracher Druckanstalt fĂŒr Reformationsschriften slawischer Sprachen (1561–1565) ist er Wegbereiter der Reformation in SĂŒdosteuropa (siehe dessen Biographie: 03 HISTORIE Hans III. Ungnad von Weissenwolff).

Hans’ III. Sohn Ludwig (†1584) steht gut mit dem liberalen Kaiser Maximilian II. und ist 1544 sein Truchsess, 1551 Mundschenk und von 1554 – 1574 dessen KĂ€mmerer. Er nimmt am Feldzug Maximilians gegen Frankreich teil, spĂ€ter dient er als Rittmeister im Grenzkrieg gegen die TĂŒrken, wird 1570 Burggraf in Klagenfurt und 1574 in gleicher Funktion auf dem Grazer Schlossberg. Ludwig nimmt am Brucker Landtag von 1578 teil.

Seine finanziellen VerhĂ€ltnisse sind so zerrĂŒttet, dass seine Frau Anna Neumann von Wasserleonburg (25.11.1535 – 18.12.1623) 1581 vor der Eheschließung eine SchadloserklĂ€rung verlangt und auch erhalten hat. Sie ist damals eine der reichsten und mĂ€chtigsten Frauen Innerösterreichs ihrer Zeit.



Durch ihren GeschĂ€ftssinn und reiche Erbschaften von insgesamt sechs EhemĂ€nnern (der Letzte ist der wesentlich jĂŒngere Graf Georg Ludwig von Schwarzenberg, den sie ausdrĂŒcklich als ihren Erben einsetzt; auf diese Weise wird dadurch der Grundstein fĂŒr den Reichtum seines Hauses gelegt) ist dies begrĂŒndet. 1566 kommt sie durch ihre zweite Ehe nach Murau (im westlichen Teil des österreichischen Bundeslandes Steiermark), wo sie bis heute als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Stadtgeschichte gilt und als Bronzefigur verewigt ist[4]. Sie ĂŒberlebt diesen ihren dritten Ehemann und errichtet ihm in der Pfarrkirche
St. Egidius in Klagenfurt ein 1535 erhaltenes Epitaph.

Ihre Erfolge belegen, dass sie eine großartige Strategin und Wirtschafterin gewesen sein muss: einerseits soll sie eine knallharte GeschĂ€ftsfrau gewesen sein, die sich auch erfolgreich als Geldverleiherin betĂ€tigt, andererseits als WohltĂ€terin, und u.a. das Spital in Murau fördert. Sie soll als Stadtherrin von Murau streng, aber gerecht gewesen sein. Als sie etwa 75 Jahre alt ist (!) strengen ihre Neider zwei Mal einen Prozess an, wo sie als Hexe angeklagt wird; die Beschuldigungen reichen allerdings nicht fĂŒr eine Verurteilung aus und sie wird beide Male freigesprochen.

Als Protestantin fördert sie lebenslang die Reformation. Nach ihrem Tod erlaubt der Salzburger Bischof zwar ihre christliche Beerdigung, wegen ihres Glaubens wird ihr aber eine GrabstĂ€tte in der Stadtpfarrkirche in Murau verweigert! So wird diese großartige Frau dann in der Kirche des Elisabethspitals beigesetzt.-

Ein weiterer Sohn – Christoph III. Ungnad von Weissenwolff (1527 – 6.11.1587) ist von 1576 – 1583 Ban von Kroatien (entspricht dem Titel eines Markgrafen). Er heiratet 1567 Anna BĂĄnffy von Losoncz (1543 – 1595), die Geliebte von BĂĄlint Balassa, des ersten ungarischen Dichters, der einige Liebesgedichte an sie schreibt (eigentlich: BĂĄlint Baron Balassi von Gyarmath und KĂ©kkeƑ)[5].

Zusammen mit seiner Frau hat er die Tochter Anna Maria III., die am 29.1.1584 Graf Thomas II. Erdödy de MonyorĂłkerĂ©k et MonoszlĂł (1558 – 17.1.1624) zum Manne nimmt, der aus einem bedeutenden Magnatengeschlecht Ungarns stammt. Dieser war – wie sein Schwiegervater – Ban von Kroatien ab 1584*. Sein Vater Peter II. Erdödy (Graf von Eberau und Freiherr zu Kaisersperg) ist mit Hans III. Ungnad, Christophs Vater, eng befreundet; der Großvater von Peter II., MiklĂłs ErdƑdy, war mit einer Maria Ungnad verheiratet gewesen; ErdƑdy und Ungnad schreiben sich gegenseitig als „Schwager“ an.

1547 zeichnet sich Thomas II. Vater, Peter II. Erdödy, im Schmalkaldischen Krieg aus. 1557 bis 1567 ist er Ban von Kroatien gewesen und kĂ€mpft mit großem Erfolg gegen die TĂŒrken. Er hat sich inzwischen der protestantischen Seite angeschlossen; Primoz Trubar schreibt 1562 an Hans Ungnad: „Der herr Peter freyherr von Ebraw und zu Khayersperg, der man, ist guet evangelisch 
“[6].

1565 wird Peter II. von Kaiser Maximilian II. in den Reichsgrafenstand und 1566 sogar in den ReichsfĂŒrstenstand erhoben. Da er jedoch schon 1567 stirbt, wird der ReichsfĂŒrstentitel nicht nostrifiziert und gelangt somit in Vergessenheit. 1580 bestĂ€tigt Kaiser Rudolf II. den Söhnen Peters II., Thomas II. und Peter III., den Reichsgrafenstand durch eine Wappenverbesserung.-

Der Bruder von Hans III., Andreas I. Ungnad von Weissenwolff (10.2.1499 – 21.3.1557), bekommt im Jahr 1534 die ausgedehnte Herrschaft HlubokĂĄ nad Vltavou (Frauenberg im SĂŒden des heutigen Tschechien) von Johann von Pernstein als Pfandherrschaft verliehen. Wahrscheinlich ist dies im Zusammenhang mit seiner zweiten Ehe mit der Tochter dessen jĂŒngeren Bruders, Adalbert von Pernstein, nĂ€mlich Johanna Benigna (auch Bohunka, 1517 – 1550), zu sehen[7]. Sie haben die Töchter Anna Maria I., die mit dem böhmischen Hochadeligen Graf Julius von Schlick vermĂ€hlt ist (die Mutter des FĂŒhrers der böhmischen Protestanten im 30jĂ€hrigen Krieg, Joachim Andreas von Schlick, der eines gewaltsamen, brutalen Todes im „Prager Blutgericht“ am 21.6.1621 sterben sollte – siehe: 03 LVP HISTORIE) und Maria Margaretha, sowie zwei Söhne. 1536 geht er nach Torgau in Sachsen, um persönlich Martin Luther predigen zu hören. Er ist ein tiefglĂ€ubiger Lutheraner und zu seinen Vorlieben gehört die LektĂŒre der theologischen Schriften von Melanchthon. In den 30er und 40er Jahren gilt er als einer der bedeutendsten MĂ€zene von Dichtung und religiöser Literatur im Königreich Böhmen. Dank seiner Initiative werden die Werke von Anton Corvin, Johann Brenz, Johann Spangenberg und Philipp Melanchthon ins Tschechische ĂŒbersetzt. Er arbeitet dabei eng mit einem Humanistenkreis zusammen, die Prager Buchdrucker kennen.
Als er auf einem Ritterturnier in Pilsen im Jahr 1555 von Erzherzog Ferdinand I. aufgefordert wird, teilzunehmen, kommt er nicht in der ĂŒblichen RĂŒstung, sondern zum Erstaunen aller Zuschauer, in einer ungarischen Husarenuniform, um zu kĂ€mpfen!

Von Adam Ungnad von Weissenwolff (~1530 – 1565), einem seiner zwei Söhne, ist ĂŒber dessen kurzes Leben nicht viel bekannt. Aus den Aufzeichnungen des böhmischen Kriegsmannes Pavel Korka von Korkyne geht hervor, dass Adam, als der Älteste, 1557 die Pfandherrschaft ĂŒber Frauenberg erhalten hat[8]. Aufgrund seines protestantischen Bekenntnisses ist er Ferdinand I. um 1560 ein Dorn im Auge, was der Oberstkanzler von Böhmen, Joachim von Neuhaus, geschickt fĂŒr sich zu nutzen weiß, da er als treuer Katholik sich dem Wohlwollen des Erzherzogs sicher sein kann. Anfang Februar 1561 wird Adam Ungnad von Weissenwolff kraft des Urteils des Kammergerichts das Pfandrecht ĂŒber Frauenberg abgesprochen. Zu den Verhandlungen in Prag hat ihn Pavel Korka von Korkyne, sowie Eck von Salm begleitet, der mit Adams Tante Katharina von Pernstein vermĂ€hlt ist, da er sich bei Gericht unsicher verhĂ€lt, was seiner Jugend geschuldet ist. 1561 erfĂ€hrt Adam, dass Elisabeth Thurzo von Bethlenfalva, deren lutherischer Vater Alexius zwischen 1532 – 1542 Statthalter im Königreich Ungarn gewesen ist, seit kurzem Witwe ist. So tritt er in Kontakt mit ihr und die Hochzeit wird am 2. November 1561 in Freistadt an der Waag (heute die grĂ¶ĂŸte Stadt im Westen der Slowakei) in Ungarn aufwĂ€ndig und eindrucksvoll gefeiert. Von der Seite des BrĂ€utigams sind die GĂ€ste als ungarische Husaren verkleidet, als Zeichen, dass der neue Hausherr zur Verteidigung der Herrschaft gegen die TĂŒrken im damaligen Oberungarn bereit ist, und in Erinnerung an seinen ehrwĂŒrdigen Vater.

David I. (1535 – 1600), der zweite Sohn von Hans’ III. Bruder Andreas I. und Bruder von Adam, studiert in Wittenberg und ist dort spĂ€ter kurze Zeit Rektor (1557). Auf ausgedehnten Europareisen erwirbt er beachtliche Sprachkenntnisse. Nach mehrjĂ€hrigem Kriegsdienst, vor allem in Kroatien und Ungarn schickt ihn der Kaiser mit diplomatischem Auftrag 1572 (nochmals kurz 1585) an die Hohe Pforte[9]. Als kaiserlicher Botschafter ist er dort zudem 1573/74 – 1578. Sein lutherischer Prediger aus TĂŒbingen, Stephan Gerlach, hat in Konstantinopel dem orthodoxen Patriarchen Jeremias die „Augsburger Konfession“[10] in griechischer Übersetzung ausgehĂ€ndigt und initiiert so den griechisch-orthodox-lutherischen Briefwechsel.

FĂŒr die Forschung zum interkulturellen diplomatischen Zeremoniell ist David I. interessant, weil er – so wird jedenfalls berichtet – auf den Entzug eines Gunsterweises bei der Herrscheraudienz (ihm wurde kein Sofa angeboten) reagiert, indem er seinen Mantel zu einem Sitzpolster zusammengerollt hat und diesen nach der Audienz zum allgemeinen Erstaunen liegen lĂ€sst mit der Bemerkung, es sei ihm nicht bekannt, dass römisch-kaiserliche Botschafter sich selbst ihr Sofa nachtrĂŒgen.

Mit den handfesten Erfolgen der tĂŒrkischen KriegszĂŒge in Konstantinopel beim triumphalen Einzug des Ferrath Beg am 9.12.1575 konfrontiert, bei dem die Köpfe der in einem ScharmĂŒtzel bei Budaski niedergemachten Offiziere Herbart VIII. von Auersperg und Friedrich von Weichselburg auf Stangen in die Stadt getragen worden sind, kauft er die Köpfe und lĂ€sst sie der Familie von Auersperg zukommen. 1572 soll David I. dem Botaniker Clusius Kastanien mitgebracht haben, aus denen dieser die erste Wiener Rosskastanie gezogen hat. Nach seiner RĂŒckkehr an den Hof wird er zum Hofkriegsrat und erfolgreicher HofkriegsratsprĂ€sident (1584 – 1599). Sein an der Freyung in Wien erworbenes Haus verkauft er an Karl von Harrach. Er stirbt 1600 auf einer Kommissionsreise im ungarischen Kaschau und wird bei seiner Ehefrau, Eva Lang von Wellenburg (1555 – 1594), mit der er seit 1579 verheiratet gewesen ist, in Horn bestattet.

Andreas II. Ungnad von Weissenwolff (1579 – ~1643), Sohn Davids I. immatrikuliert sich 1597 und 1599 in TĂŒbingen, wo sein Großonkel Hans III. bestattet gewesen ist. Bereits 1601 verĂ€ußert er die 1600 ererbte Pfandherrschaft Bleiburg und ist fortan mit seinem Hauptsitz Ennsegg (Umland von Linz) primĂ€r in Österreich ob der Enns ansĂ€ssig. Als er 1601 Margarethe/Marusch Barbara Freiin Prager von Windhag (1585 – 1669) heiratet, unterzeichnen bedeutende oberösterreichische Adelige wie Reichard und Erasmus von Starhemberg, sowie der FĂŒhrer der protestantisch-stĂ€ndischen Bewegung, Georg Erasmus Tschernembl, den Ehevertrag.

Zwar versucht Andreas II. anlĂ€sslich des Erlöschens der Ă€lteren Linie des Simon Ungnad (†1607), die innerösterreichischen Familienstammsitze Waldenstein[11] und Sonnegg[12] zu erwerben. Er schließt 1608 einen entsprechenden Vertrag, dessen DurchfĂŒhrung aber aus ungeklĂ€rten GrĂŒnden scheitert, eventuell wegen LiquiditĂ€tsmangels des stark verschuldeten Andreas II. Die rĂ€umliche Distanz und MinderjĂ€hrigkeit von Simon Ungnads erbender Enkelin Margarethe Elisabeth, geb. GrĂ€fin von Leiningen-Westerburg (1604–1667) mögen das Übrige getan haben (siehe unten).

1610 bestellen die StĂ€nde Andreas II. zum Hauptmann in den Wirren des Passauer Krieges. Am 31. MĂ€rz 1617 wird er zum Ersten Herrenstandsverordneten gewĂ€hlt, am 25. Juli 1617 wĂ€hlen die Herren zum zweiten Herrenstandsverordneten Georg Erasmus Tschernembl, der „mit Andreas II. Ungnad der eigentliche Meister“ der stĂ€ndischen protestantischen Bewegung ist. Seine Rolle in den dramatischen Jahren der militanten StĂ€ndekonföderation wird bis heute kaum anders als durch die Forschung zu Tschernembl erhellt.

Den Widerstand der oberösterreichischen PrĂ€laten gegen die Konföderation mit den böhmischen StĂ€nden versucht Andreas II. im Sommer 1619 durch massive Drohungen zu unterbinden, wirkt im Vorfeld des NĂŒrnberger Unionstags von 1619 aber wohl mĂ€ĂŸigend auf den Gesandten der niederösterreichischen StĂ€nde ein. Dass er am 20.8.1620 bei der Interimshuldigung fĂŒr Herzog Maximilian von Bayern dann fehlt, der im Auftrag Kaiser Ferdinands II. in Österreich ob der Enns einmarschiert ist, wird als Rebellion gewertet. Vor den bayerischen Truppen flieht er mit Tschernembl und Hans Ortolf Geymann im Schutz von Soldaten des FĂŒrsten Christians II. von Anhalt-Bernburg aus Niederösterreich. In Prag ist er Mitglied des neuen, vor allem aus österreichischen Emigranten gebildeten Kriegsrats.

Nach der Niederlage der konföderierten StĂ€ndearmee unter FĂŒhrung des Winterkönigs Friedrichs V. von der Pfalz gegen die Katholische Liga am Weißen Berg am 8. November 1620 findet Andreas II. Ungnad mit seiner Familie Aufnahme in Hessen-Kassel. Seine Söhne Friedrich und David II. studieren in Kassel an der Ritterakademie. 1623 wird seine Ausweisung und die Konfiskation seiner völlig ĂŒberschuldeten GĂŒter in Österreich publiziert. 1622/23 flieht er weiter nach Ostfriesland und lĂ€sst sich in Emden nieder, wo er ein Haus kauft. Als ehrbaren Rat beschenkt ihn die Stadt in den 1620er Jahren. Als einer der letzten Teilnehmer am StĂ€ndeaufstand bittet Andreas II. Ungnad Kaiser Ferdinand II. um Pardon, erhĂ€lt diesen und lĂ€sst die Kanzleitaxe hinterlegen (1631/34). Gleichwohl traut er diesem Pardon nicht, d.h. er kehrt nicht mehr nach Österreich zurĂŒck. Als Protestant darf er sich dort nicht mehr dauerhaft niederlassen, gilt als besitzlos und weiterhin hoch verschuldet. Sein Todesdatum lĂ€sst sich bislang nicht sicher ermitteln; das hĂ€ufig angegebene Datum 1623 aber ist gewiss unrichtig. Vermutlich stirbt er 1643 in Schirum bei Aurich.

Die Spur des Sohnes Friedrich verliert sich nach dessen Immatrikulation in Groningen 1626. Die Tochter Eva Margarethe (†1684 in Emden) heiratet Eberhard von Ehrenreuth, der in Loga bei Leer 1642 – 1650 das nach seiner Frau benannte Wasserschloss Evenburg gebaut hat.

Die andere Tochter Elisabeth Margarethe (~1614 – 12.6.1683 – siehe unten) ist als die MĂ€tresse des Anton GĂŒnther Graf von Oldenburg (1583 – 1667) in die Geschichte eingegangen. Sein Vater veranlasst, dass sein einziger Sohn, der dieser Beziehung entstammende Sohn Anton (1633 – 1681) 1651 von Kaiser Ferdinand III. in den Freiherrn- und 1653 als Graf von Aldenburg (Ă€lteste Schreibweise des Namens „Oldenburg“) in den Reichsgrafenstand erhoben wird.

Zu Graf Anton GĂŒnther meint der Autor auf der Startseite der offiziellen Webseite der Stadt Oldenburg: „…zu Ehren gelangte der Graf im DreißigjĂ€hrigen Krieg als geschickter Diplomat, der es meisterhaft verstand, Oldenburgs NeutralitĂ€t zu wahren. WĂ€hrend viele andere deutsche Territorien Landverluste hinnehmen mussten, blieben Oldenburgs Rechte nahezu unangetastet“ – sein „Andenken als Deichgraf und Pferdeliebhaber ist in zahlreichen Sagen noch heute lebendig. Und alle Jahre wieder, im Herbst, wird der Graf zu neuem Leben erweckt. Dann reitet er auf seinem Lieblingspferd, dem Schimmel Kranich, durch die Stadt als AnfĂŒhrer des traditionellen Kramermarkt-Umzugs“[13].

Offiziell verheiratet ist Elisabeth Margarethe Ungnad von Weissenwolff mit Johann Freiherr von Mahrenholz, der als Geliebter der Vormundschaftsregentin GrÀfin Juliane von Ostfriesland auf Betreiben von deren Sohn Enno in einem irregulÀren Verfahren zum Tode verurteilt und 1651 hingerichtet worden ist.

Elisabeth Margarethe flieht daraufhin nach Wien, wo ihr Bruder David II., inzwischen kaiserlicher HofkammerprĂ€sident, sie unterstĂŒtzt. Durch einen Vergleich in ihrem Reichshofratsprozess gegen Enno von Ostfriesland erhĂ€lt sie ihr requiriertes Vermögen zurĂŒck. Elisabeth Margarethe ist wieder nach Ostfriesland zurĂŒckgekehrt und trĂ€gt seit 1652 den Titel „GrĂ€fin von Weissenwolff“, wo sie 1683 zu Varel verschieden ist[14].



Reichsgraf Anton I. von Aldenburg, (1.2.1633 – 27.10.1680) ist ein illegitimer Sohn von Anton GĂŒnther von Oldenburg (1583–1667) nach dessen Tod Statthalter der Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst fĂŒr den dĂ€nischen König.

Seine Mutter ist die aus einer österreichischen Exulantenfamilie stammende Freiin Elisabeth Ungnad (geboren entweder 1603 oder 1614; †1683), einem Patenkind seiner verwitweten Großmutter Elisabeth von Oldenburg (1541 – 1612, Tochter des Grafen GĂŒnther von Schwarzburg) und Hofdame von Juliane von Hessen-Darmstadt, verheiratete FĂŒrstin von Ostfriesland. Sein Vater soll ihr ein mit seinem Blut unterschriebenes Heiratsversprechen gegeben haben, das ihr aber von einem seiner RĂ€te unter einem Vorwand abgeschwatzt und ins Kaminfeuer fallen gelassen worden sein. Seine Mutter hat Oldenburg nach der Geburt verlassen und kehrt nach Ostfriesland zurĂŒck, wo ihr Vater Andreas II. Ungnad sich nach seiner Konversion zum Calvinismus niedergelassen hat.

Anton I. wĂ€chst am Oldenburgischen Hof auf und erhĂ€lt eine sorgfĂ€ltige Erziehung an deren Abschluss eine dreijĂ€hrige Kavalierstour gestanden hat, die ihn von 1650 bis 1653 in Begleitung seines Hofmeisters Sebastian Friedrich von Kötteritz nach Italien und durch West- und Nordeuropa fĂŒhrt. Die Ehe Anton GĂŒnthers bleibt kinderlos und so wird Anton in den folgenden Jahren mit großer FĂŒrsorge und trotz seiner IllegitimitĂ€t standesgemĂ€ĂŸ versorgt. Am 16. MĂ€rz 1646 wird Aldenburg von Kaiser Ferdinand III. in den Adelstand erhoben, wobei als Titel die Ă€lteste ĂŒberlieferte Form des Namens Oldenburg gewĂ€hlt worden ist. Damit ist Anton I. von Aldenburg der BegrĂŒnder des Hauses Aldenburg, spĂ€ter Haus Aldenburg-Bentinck genannt. Am 25. Februar 1651 folgt die Erhebung in den Freiherrenstand und am 15. Juli 1653 die in den Reichsgrafenstand. Anton GĂŒnther sorgt auch fĂŒr eine diesen Titeln entsprechende materielle Ausstattung. In langwierigen Verhandlungen mit dem dĂ€nischen Königshaus und den Herzögen von Schleswig-Holstein-Gottorf, die fĂŒr den Fall des Fehlens von legitimen Nachkommen seitens Anton GĂŒnthers als Lehnsnachfolger fĂŒr die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst vorgesehen sind, erreicht er im Rendsburger Vertrag von 1649 das freie VerfĂŒgungsrecht ĂŒber bestimmte EinkĂŒnfte und GĂŒter, die in einem Separationsvertrag 1653 spezifisch festgelegt werden. Bereits 1654 erhĂ€lt Anton I. von Aldenburg das Amt Varel, 1655 die Vogtei Jade und 1657/1658 die Herrschaft Kniphausen als freies Grundeigentum. In seinem Testament vom 23. April 1663 setzt Anton GĂŒnther folgerichtig Aldenburg als seinen unehelichen Sohn im Rahmen eines Familienfideikommiss als Allodialerben in diesen Besitzungen ein, sichert ihm ein Drittel der Weserzolleinnahmen zu und vermacht ihm zusĂ€tzlich eine Reihe von Vorwerken und EinzelgĂŒtern, unter anderem das Gut Hahn.

Im Jahr 1656 wird Anton I. unter dem Gesellschaftsnamen der GeschÀtzte in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen.

Um seine Erbschaftsregelung abzusichern, ĂŒbergibt Anton GĂŒnther schon 1664 die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst seinen Lehnsnachfolgern, die Anton I. von Aldenburg als kĂŒnftigen Statthalter der beiden Grafschaften anerkennen. Nach dem Tod Anton GĂŒnthers tritt er dieses Amt sofort an. Damit endet fĂŒr die beiden Grafschaften die direkte Zugehörigkeit zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und es begann die „Reichsferne Zeit“. 1667 vermehrt er seinen Besitz durch Ankauf von Schloss Doorwerth, das er allerdings nur selten nutzt. Um seinen Besitz zu sichern und mögliche ReibungsflĂ€chen mit DĂ€nemark zu verringern, tauscht Anton I. 1669 seine in den Grafschaften gelegenen GĂŒter gegen die Vogtei Schwei ein und bietet 1676 sogar den Verzicht auf seinen Weserzollanteil an. 1671 grĂŒndet er das Waisenhaus in Varel, das bis heute mit dem ursprĂŒnglichen Stiftungszweck existiert und als Baudenkmal von Nationalem Rang gilt. Am 27. Oktober 1680 stirbt er ĂŒberraschend und unter ungeklĂ€rten UmstĂ€nden in Varel. Seine Frau bezichtigt den Arzt Ringelmann der absichtlichen Fehlbehandlung ihres Ehemannes. Anton I. von Aldenburgs Nachfolger in der Statthalterschaft von Oldenburg und Delmenhorst wird Burchard Graf von Ahlefeldt als dĂ€nischer Oberlanddrost. Ihm folgt 1683 mit Anton Wolf von Haxthausen (1647–1694) ein Schwiegersohn Aldenburgs in diesem Amt.

Aldenburg ist zweimal verheiratet gewesen. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet er am 29. Mai 1680 in Kopenhagen, die aus Frankreich stammende Prinzessin Charlotte AmĂ©lie de La TrĂ©moille[15] (* 3.1.1652 – †21.1.1732), die Tochter des Henri Charles de La TrĂ©moille und der Emilie von Hessen-Kassel. Der aus dieser Ehe stammende Sohn und Erbe Anton II. (1681–1738) wird sieben Monate nach dem Tod des Vaters geboren. Die Herrschaft ĂŒber die Aldenburgischen Besitzungen Kniphausen und Varel ĂŒbernimmt daher zunĂ€chst Aldenburgs Witwe fĂŒr den unmĂŒndigen Sohn, der die Nachfolge dann ab 1706 antritt[16].

Die Tochter von Reichsgraf Anton II. von Aldenburg, und Urenkelin von Elisabeth Margarethe GrĂ€fin Ungnad von Weissenwolff, ist die mit Preußens König Friedrich II. und Voltaire in engem Kontakt stehende Charlotte Sophie ReichsgrĂ€fin von Aldenburg, verheiratete GrĂ€fin Bentinck (1715 – 1800):



Über diese bemerkenswerte Frau meint Dr. Anja Kircher-Kannemann auf ihrem Blog:

„Kurtisane“, Freundin, Fernsehstar –
Charlotte Sophie von Bentinck

Die Monacensia hat zur Blogparade #femaleheritage aufgerufen und da bin ich natĂŒrlich gerne dabei und steuere etwas dazu bei, dass die Geschichte von Frauen in den Vordergrund gerĂŒckt wird und prĂ€senter wird.

Als ich die ersten SĂ€tze las, die die Monacensia zu dieser Blogparade geschrieben hat, da musste ich nicht lange ĂŒberlegen, denn dort fragte man „Was fĂ€llt Euch spontan zu Frauen und Erinnerungskultur ein? An welche prĂ€genden Frauen erinnert Ihr Euch? Welche weibliche Persönlichkeit ist vergessen und sollte Eurer Meinung nach wieder aktiv erinnert werden?“

Mir fielen ganz spontan zwei Frauen ein. Zwei Frauen, die – wie ich schon in den Kultur-News KW 46-2020 schrieb „vieles gemeinsam haben und doch letztlich sehr unterschiedlich waren: beide waren adelig, beide waren mit berĂŒhmten MĂ€nnern ihrer Zeit befreundet, beide haben Eingang in die Literatur gefunden, beide haben sich scheiden lassen und beide sind erst in den letzten Jahren wieder aus dem Dunkel der Geschichte hervorgetreten.“ Ja, und beide Frauen sind mir nah: die eine, weil sie nur ein paar Kilometer von mir entfernt lebte, und die Andere, weil sie mir einen der spannendsten Jobs bescherte, die ich je hatte.

Nach dieser VorankĂŒndigung ist es wohl Zeit den Vorhang zu lĂŒften und einen Blick auf diese beiden Frauen zu werfen. Beginnen wir einfach chronologisch und lernen in diesem Beitrag die „Kurtisane“ und Freundin kennen, die zum Fernsehstar wurde:

Charlotte Sophie von Bentinck –
wieso „Kurtisane“

Charlotte Sophie von Bentinck eine „Kurtisane“ zu nennen war nicht meine Idee. Es war ein Mann, der sie so bezeichnete. Er kannte sie gut und traf ĂŒber viele Jahre immer wieder – auch in privatem Rahmen – mit ihr zusammen. Es war der Reichsgraf Ernst Ahasverus Heinrich von Lehndorff (1727-1811), seines Zeichens Kammerherr der Königin Elisabeth Christine von Preußen (1715-1797). Offenbar verband ihn, genau wie viele andere Zeitgenossen, eine sehr ambivalente Beziehung mit der „GrĂ€fin Bentinck“, wie er sie in seinem Tagebuch meist bezeichnet. Auf der einen Seite fand er sie gescheit und interessant und auf der anderen völlig ĂŒberdreht und eben kurtisanenhaft. So schrieb er in seinem Tagebuch zum einen: „Je mehr ich diese Frau kennenlerne, um so außerordentlicher erscheint sie mir; ich gestehe, daß ich ganz entzĂŒckt von ihr bin.“[1] und dann wieder „Man spricht nur von den Extravaganzen der Bentinck, die sich zum Pasquino von Berlin aufgeworfen hat, um jedermann UnverschĂ€mtheiten zu sagen.“[2] An anderer Stelle bezeichnet er sie gar als „unausstehlich“.[3]

Wer also war diese Frau, die so ambivalente GefĂŒhle bei ihren Mitmenschen und offenbar vor allem bei MĂ€nnern erzeugen konnte?

Charlotte Sophie von Aldenburg-Bentinck –
eine fast normale Adelige

Geboren wurde Charlotte Sophie von Bentinck am 5. August des Jahres 1715 in Varel als ReichsgrĂ€fin von Aldenburg. Ihre Eltern, Graf Anton II. von Aldenburg (1681-1738) und Prinzessin Wilhelmine Maria von Hessen-Homburg (1678-1770), hatten keine mĂ€nnlichen Erben und so trat der fĂŒr jene Zeit eher seltene Fall der weiblichen Sukzession ein. Diese weibliche Erbfolge genehmigte Kaiser Karl VI. am 1. Juni 1731. Wohl niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt welche Konsequenzen, Verwicklungen und Dramen dadurch einmal entstehen wĂŒrden.

Den Anfang nahm das spĂ€tere Drama bereits ein Jahr spĂ€ter, als Charlotte Sophie einen gewissen Albrecht Wolfgang, seines Zeichens Graf zu Schaumburg-Lippe (1699-1748), kennenlernte und sich Hals ĂŒber Kopf in ihn verliebte.

Eigentlich wĂ€re der ja durchaus standesgemĂ€ĂŸ gewesen, nur war er bereits verheiratet und zwar in zweiter Ehe mit Charlotte Friederike Amalie (1702–1785) von Nassau-Siegen. Außerdem gab es ein zweites Problem und das hatte ihr Vater verursacht. Der nĂ€mlich hatte reichlich schlecht in seiner Miniaturherrschaft gewirtschaftet und war vollkommen bankrott. So kam er auf den Gedanken seiner Tochter in die Ehe mit einem ausgesprochen reichen Mann zu geben. Die Wahl fiel auf den niederlĂ€ndischen Grafen Wilhem von Bentinck (1704-1774), RatsprĂ€sident der Provinzen Friesland und Holland. Widerspruch wurde, vollkommen normal in Zeiten von Zweckehen, nicht geduldet und so fand die Eheschließung am 1. Juni 1733 statt.

Zwischen Ehe und Ausbruch –
eine Frau emanzipiert sich

Alles schien an dieser Stelle in das ganz normale Leben einer adeligen Frau im 18. Jahrhundert zu enden. Gebunden in einer Zweckehe, die geforderten Stammhalter in die Welt setzend und die Tage zwischen Langeweile und AmĂŒsement verbringend.
Aber es gĂ€be keinen Grund ĂŒber Charlotte Sophie von Bentinck zu schreiben, wenn die Geschichte so gelaufen wĂ€re.

Bis zum Jahr 1738 war noch alles „in Ordnung“. Charlotte Sophie zog mit ihrem Mann nach Den Haag. Dort wurde recht bald, im Jahr 1734, ihr erster Sohn Christian Friedrich geboren (1734-1768) und drei Jahre spĂ€ter der zweite Sohn Johann Albrecht (1737-1775).

Die Wendung kam, als Charlotte Sophies Vater 1738 starb und sie das Erbe antrat. Schlagartig war ihr klar, dass das die Möglichkeit war aus dieser Zwangsehe mit dem ungeliebten Mann zu flĂŒchten. Das Ungewöhnliche war nicht, dass sie darĂŒber nachdachte, sondern, dass sie es tat. Die Flucht fĂŒhrte sie zunĂ€chst zu ihrer Mutter nach Varel und dann – und das war der Skandal – zu dem Mann, den sie noch immer liebte: Albrecht Wolfgang zu Schaumburg-Lippe. Der war, wie erwĂ€hnt, verheiratet. Der Zufall wollte es, dass seine Ehefrau eine Jugendfreundin von Charlotte Sophie war und sich offenbar in das Unvermeidliche fĂŒgte. Unvermeidlich war, dass quasi eine Ehe zu Dritt begann in deren Folge Charlotte Sophie offenbar zwei weitere Söhne gebar – diesmal (klar) unehelich. Der erste Sohn wurde bereits 1739 geboren und verbrachte sein Leben, soweit wir wissen, als Karl (von) Donop.



Eine Scheidung, ein vierter Sohn und
ein nicht enden wollender Kampf

WĂ€hrend ihrer Zeit in BĂŒckeburg betrieb Charlotte Sophie die Scheidung vom Grafen Bentinck, die am 15. April 1740 in Kraft trat.
Etwa zur gleichen Zeit erfuhr man am Hof zu BĂŒckeburg erstmals von dem neuen französischen Denker: Voltaire. Noch im gleichen Jahr besuchte Voltaire den Hof in BĂŒckeburg und es begann eine lebenslange Freundschaft zwischen ihm und Charlotte Sophie, die darin gipfelte, dass er sie zu einer der Hauptfiguren seines Romans „Candide“ machte.
Als Kunigunde hat die GrÀfin Bentinck so Eingang in die Weltliteratur gefunden.

Trotz des unvermeidlichen Skandals, den ihr Aufenthalt am BĂŒckeburger Hof auslöste, blieb sie. Die Jahre vergingen, im Jahr 1745 bekam sie ihren vierten und letzten Sohn: Carl Wilhelm Weisbrod wurde er genannt.[4]

Erneut wendete sich ihr Leben im Jahr 1748, als Albrecht Wolfgang von Schaumburg-Lippe plötzlich starb. Sein Sohn Wilhelm (1724-1777) trat die Nachfolge an und fĂŒr Charlotte Sophie war in BĂŒckeburg kein Platz mehr. Sie brauchte einen neuen Ort, um sich ein Zuhause zu schaffen und sie brauchte Geld. Das aber hatte sie nicht, denn um ihr Erbe stritt sie seit ihrer Scheidung und das bisher ohne jeden Erfolg.

Im Jahr 1750 wandte sie sich daher hilfesuchend an den preußischen König Friedrich II. (1712-1786), besser bekannt als Friedrich der Große. Gerade ihn aufzusuchen machte Sinn, denn auch er war mit Voltaire befreundet und der lebte an seinem Hof. Der gemeinsame Freund aber sollte ihr auch nicht wirklich helfen, zumal sie schon bald das Schicksal Voltaires teilen sollte und in Ungnade fiel.

Bis 1753 aber blieb sie in Berlin, hier lernte sie auch den Grafen Lehndorff kennen, der so viele intime Details ĂŒber sie in sein Tagebuch schrieb und sie kurz vor ihrer Abreise als „vollendete Kurtisane“[5] beschrieb.



Charlotte Sophie zwischen
Wien, Jever und Hamburg

Der Streit um ihr Erbe mit ihrem Exmann sollte noch Jahre dauern. 1757 fĂŒhrte er sie nach Wien, wo sie Hilfe von Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) erhoffte, die diese zwar gewĂ€hrte, aber ebenfalls recht erfolglos war. Da half auch keine Frauenpower, die Gesetze jener Zeit waren gegen sie. Charlotte Sophie musste ihren Kampf gegen ihren so verhassten ehemaligen Ehemann aufgeben.

Aus Frustration oder Trotz oder vielleicht auch nur aus purer Lust ging sie auf Reisen. Sie fuhr nach Venedig, erkundete Italien, reiste in die Schweiz und auf den Landsitz von Voltaire bei Genf, wo der gerade dabei war seinen Roman „Candide oder der Optimismus“ zu schreiben.

1761, als ihre Mutter inzwischen 83 Jahre alt war und zunehmend gebrechlich wurde, zog sie auf das Schloss Jever, um in ihrer NĂ€he zu sein. Freunde machte sie sich hier allerdings auch nicht. Offenbar spann sie zu gerne Intrigen und diese offenbar nicht allzu geschickt, auf jeden Fall jagte man sie 1768 von dannen und erklĂ€rte sie zur „Persona non grata“.

Also zog Charlotte Sophie nach Hamburg, auf den Jungfernstieg 3 und spĂ€ter nach EimsbĂŒttel und eröffnete, wie so viele adelige Damen, einen Salon. In dem gingen viele bekannte und berĂŒhmte Menschen ein und aus bis Charlotte Sophie am 4. Februar 1800 hochbetagt mit 84 Jahren starb.


Charlotte Sophie von Bentinck –
zwischen Vergessen und Nachruhm

Vergessen wurde Charlotte Sophie von Bentinck nach ihrem Tod erst einmal nicht, denn sie hatte im Laufe der Jahre eine große MĂŒnzsammlung angelegt und um die, bzw. um die Echtheit so mancher StĂŒcke, gab es – wie es hĂ€tte es anders sein können – so manchen Gelehrtenstreit. Als der allerdings abebbte, da vergaß man auch die Frau, die die MĂŒnzen gesammelt hatte so langsam.

Dabei hĂ€tte man sich an sie erinnern können, denn nicht nur als Kunigunde in „Candide“ war sie in die Literaturgeschichte eingegangen, sondern auch durch das „Weihnachtsgedicht‘, an der „Frau GrĂ€finn von Bentinck, gebohrenen ReichsgrĂ€finn von Aldenburg Excellenz“, das Johann Christoph Gottsched (1700-1766) ihr einst widmete oder auch durch ihren mehrere BĂ€nde fĂŒllenden Briefwechsel mit Voltaire und der Familie Gottsched. 1854 erschien außerdem der historische Roman „Der Dunkelgraf“ von Ludwig Bechstein (1801-1846) fĂŒr den das Leben Charlotte Sophies als Vorbild diente. Aber offenbar war die Welt noch immer froh nicht mehr an diese widerspenstige und eigensinnige Frau erinnert zu werden.


Unangepasstheit liegt in der Familie –
Elizabeth Le Blond

Die erste, die sie wieder aus der Vergessenheit ans Licht holte war Elizabeth Le Blond (1860-1934), auch bekannt als Elizabeth Alice Frances Hawkins-Whitshed. Auch sie war eine fĂŒr ihre Zeit unangepasste und eigenstĂ€ndige Frau, die sich als Bergsteigerin, Fotografin und Schriftstellerin einen Namen machte. Auch sie war eine weibliche Erbin, war insgesamt dreimal verheiratet, lebte aber meist von ihren EhemĂ€nnern getrennt. Sie reiste viel, vor allem mit ihrem dritten Ehemann Francis Bernard Aubrey Le Blond (1869–1951).
Als Alpinistin war sie gleich zweimal auf dem Mont Blanc. Die Erstbesteigungen des La Vierge (1883) und des Ostgipfels des Bishorns (1884) stehen auf ihrem PalmarĂšs. 1907 grĂŒndete sie den Ladies’ Alpine Club und veranstaltete Bergtouren nur fĂŒr Frauen. Auch sozial war sie engagiert, arbeitete wĂ€hrend des 1. Weltkriegs als Freiwillige im SanitĂ€tsdienst und sammelte spĂ€ter Gelder fĂŒr den Wiederaufbau der Kathedrale von Reims.

Dass ausgerechnet sie es war, die sich an Charlotte Sophie erinnerte lag vielleicht tatsĂ€chlich daran, dass man ihr gesagt hat, sie erinnere an sie. Warum? Elizabeth Le Blond war die Tochter von Sir Vincent Bentinck Hawkins-Whitshed (1837–1871) und somit eine Nachfahrin Charlotte Sophies, was sie auch im Titel der zweibĂ€ndigen Biographie „Charlotte Sophie Countess Bentinck. Her life and times, 1715-1800“ angibt und sich als „descendant Mrs. Aubrey Le Blond“ bezeichnet, das war im Jahr 1912, mehr als 100 Jahre nach dem Tod Charlotte Sophies.


Charlotte Sophie auf dem
Weg zum Fernsehstar

Doch wieder geriet Charlotte Sophie von Bentinck in Vergessenheit. Diesmal allerdings dauerte es nicht ganz so lange bis sich jemand wieder ihrer erinnerte und wieder war es eine Frau: die in den Niederlanden ausgesprochen bekannte Hella S. Haasse (1918-2011). Sie wurde auf die Biographie aufmerksam, recherchierte viele Jahre und schrieb am Ende das Buch „Mevrouw Bentinck of Onverenigbaarheid van karakter“, das 1978 auf NiederlĂ€ndisch und 1997 auf Deutsch unter dem Titel „Ich widerspreche stets. Das unbĂ€ndige Leben der GrĂ€fin Bentinck“ veröffentlicht wurde.

Seit Hella Hasses Roman ist Charlotte Sophie nie mehr so richtig in Vergessenheit geraten, immer wieder erscheinen neue AufsĂ€tze und Publikationen ĂŒber sie und ihre Familie. Letztlich hat sie es also doch geschafft aus dem Dunkel der Geschichte hervorzutreten.

Und fĂŒr alle, die sich jetzt fragen was diese Frau mit einem meiner tollsten Jobs zu tun hat: Nun, es ist etliche Jahre her, ich saß im BĂŒro in der Uni. Es war ein ganz normaler langweiliger Tag bis das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung war ein sympathisch klingender Mann, der fragte, ob es an unserem FrĂŒhneuzeit-Institut zufĂ€llig jemanden gĂ€be, der Interesse hĂ€tte Research bei einer Fernsehserie zu machen.

Wer mich kennt weiß, dass ich sofort „Ja“ sagte, denn diese Chance war einfach zu verlockend. Mehrere Jahre hat das Projekt am Ende gedauert und mir die Möglichkeit gegeben in Amsterdam zu arbeiten, genauso wie in NĂĄměƥƄ nad Oslavou und es schenkte mir die Bekanntschaft und Freundschaft mit vielen spannenden und kreativen Menschen vor allem mit Carl van der Plas, der Charlotte Sophies Vater spielte und dem Regisseur Ben Verbong.

Weil dieser Beitrag nun schon so lang geworden ist und eigentlich ja auch schon zwei außergewöhnliche Frauen vorstellt folgt die „RevolutionĂ€rin“, die einst in meiner NĂ€he wohnte in der nĂ€chsten Woche in einem zweiten Beitrag.

https://blog.muenchner-stadtbibliothek.de/frauen-und-erinnerungskultur-blogparade-femaleheritage/



Das Erbe von Hans III. Ungnad, dem „TĂŒrkenheld und Glaubensstreiter“ fĂŒr die „reine Lehr Martin Luthers“ gelangt an die Enkelin seines zuletzt verstorbenen Sohnes Simon Ungnad von Weissenwolff, Freiherr von Sonnegg, auf Waldenstein, Himmelstein und Bernsdorf (~1530 – †1607) und dessen Frau Katharina (geborene GrĂ€fin von Plesse – *16.08.1533 – †?), Margarethe Elisabeth. Sie ist das einzige Kind aus der ersten Ehe des Grafen Christoph von Leiningen-Westerburg zu Schadeck (1575 –1635) mit Anna Maria II. Ungnad von Weissenwolff, Freiin von Sonnegg (1573 – 1606), Erbin der Herrschaft MĂŒnchenbernsdorf in ThĂŒringen. Margarethe Elisabeth heiratet am 10. August 1622 in Butzbach den Landgrafen Friedrich I. von Hessen-Homburg. Nachdem Margarete Elisabeth ihren zweiten Sohn geboren hat, wird im Land die Primogeniturordnung eingefĂŒhrt.

Nach dem Tod ihres Ehemanns am 9. Mai 1638 fĂŒhrt sie mitten im DreißigjĂ€hrigen Krieg die Regentschaft fĂŒr ihre noch unmĂŒndigen Kinder. Das Recht auf die Regentschaft ergibt sich aus dem 1622 abgeschlossenen Ehevertrag. Sie bietet bezĂŒglich dieser Aufgabe ihren Schwager Philipp III. von Hessen-Butzbach um UnterstĂŒtzung. Nach einigem Zögern erklĂ€rt sich dieser bereit, als „Contutor undt mit Vormunder“ die Kinder mit zu unterstĂŒtzen, ohne jedoch formelle oder gar finanzielle Zusagen zu machen. Da auch Georg II. von Hessen-Darmstadt diese Vormundschaft unterstĂŒtzt, erteilt Kaiser Ferdinand III. am 14. Januar 1639 das „tutorium2“ – also die förmliche Zustimmung. Daraufhin lĂ€sst Margarete Elisabeth am 9. Juni 1639 sich und die Kinder von den Homburger Untertanen huldigen und fĂŒhrt danach in amtlichen Urkunden den Titel „Wittib und VormĂŒnderin“. In dieser Funktion regiert sie Hessen-Homburg und schließt auch Rezesse ab. Der wichtigste war der Rezess mit Georg II. von Hessen-Darmstadt vom 18. Mai 1648 in dem dieser Wilhelm Christoph Amt und Schloss Bingenheim ĂŒbertrĂ€gt. Ihren jĂŒngsten Sohn Friedrich II. von Hessen-Homburg (1633 – 1708), der den kurbrandenburgischen Sieg in der Schlacht von Fehrbellin herbeigefĂŒhrt hat, verewigt Heinrich von Kleist in dem Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“[17].

Des Letzteren Tochter Wilhelmine Maria LandgrÀfin von Hessen-Homburg heiratet
Reichsgraf Anton II. von Aldenburg, den Vater von Charlotte Sophie ReichsgrÀfin von Aldenburg, verheiratete Bentinck.

Sowohl Wilhelmine Maria, als auch Charlotte Sophie sind Nachfahrinnen von
Margarethe Lochner von Liebenfels… –


Der zweite Sohn von Andreas II. David II. (siehe oben), seit 1632 vermĂ€hlt mit Maria Elisabeth GrĂ€fin Jörger von Tollet, kehrt aus dem Exil nach Österreich zurĂŒck, da er angeblich seine Heimat vermisst hat, konvertiert ebenso wie seine Frau zum Katholizismus und schlĂ€gt eine – mit dem Orden vom Goldenen Vlies gekrönte – stĂ€ndisch-höfische Laufbahn ein.

Seine Nachfahren sind in Österreich als „Grafen (Ungnad) von Weissenwolff“ etabliert und sterben 1917 aus; das Erbe geht an den verwandten Niklas Altgraf zu Salm-Reifferscheidt-Raitz; diese Familie bewohnt noch heute deren Schloss Steyregg an der Donau in der NĂ€he von Linz, Österreich.-

SĂ€mtliche Fotos in 02 HISTORIE Ungnad von Weissenwolff:
mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Mischitz, Eberndorf, Österreich
(ausgenommen hier entsprechend gekennzeichnete Fotos)
  1. Paul-Joachim Heinig: „Kaiser Friedrich III. (1440 – 1493) in seiner Zeit“ – siehe dortige Fußnote 126 – Band 1, S. 178 ↑

  2. Grabplatte und Epitaph in der Pfarr- und ehemaligen Stiftskirche MariĂ€ Himmelfahrt in Eberndorf, Bezirk Völkermarkt, KĂ€rnten, Österreich – Ungnad-Kapelle –

    Foto mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Mischitz, Eberndorf, Österreich ↑

  3. „Steirisches Triumvirat” = Hans II. von Neitperg, Haushofmeister, dessen Verwandter Walther Zebinger und Kammermeister Hans I. Ungnad bilden die RĂ€te Kaiser Friedrich III. – Piccolomini prĂ€gt diesen Begriff, der ironisch gemeint ist – Paul-Joachim Heinig: „Kaiser Friedrich III. (1440 – 1493) in seiner Zeit“, in: Studien zum 500. Todestag am 19. August 1493/1993 (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Band 12) –
    Böhlau, Köln u.a. 1993, siehe Band 3, Register S. 1776 ↑

  4. Wolfgang Wieland: “Anna Neumannin von Wasserleonburg. Die Herrin von Murau“, Verlag Erich Mlakar, Judenburg, Österreich, 1986 ↑

  5. Karl Giay: (Anhang II): „Die Geschichte des Hauses Erdödy“, in: Helene ErdƑdy: „Erinnerungen“, Amalthea-Verlag, Wien, 1929 ↑

  6. Ivan Kostrenčić: „Urkundliche BeitrĂ€ge zur Geschichte der protestantischen Literatur der SĂŒdslaven in den Jahren 1559–1565“, Verlag Carl Gerold’s Sohn, Wien 1874, S. 94 ↑

  7. Václav Ledvinka: „Pernsteinska kapitola v dejinach jiznich Cech (Pani z Pernstejna na Hluboke a Protivine 1490 – 1540“, in: Petr Vorel „Pernstejnove ceskych dejinach“, Pardubice, 1995, S. 91 – 104, hier S. 94 ↑

  8. A. Sedlacek: „Hrady VII“, S. 142 ↑

  9. Es ist das Osmanische Reich, heute TĂŒrkei, gemeint ↑

  10. Die „Confessio Augustana“ – oder zu deutsch „Augsburger Konfession“ – ist die erste offizielle Darstellung von Lehre und Praxis der Wittenberger Reformation mit weitreichender Ausstrahlung auf den gesamten Protestantismus (Datum der Erstveröffentlichung: 25.6.1530, Autor: Philipp Melanchthon) ↑

  11. Waldenstein liegt im Tal der Lavant etwa 14 km nordöstlich von Wolfsberg (zwischen Klagenfurt und Graz). Das Bambergische Lehen war seit 1282 im Besitz der Ungnad und wurde von der Erbin Margarethe Elisabeth, verheiratete LandgrĂ€fin von Hessen-Homburg 1637/38 an den Bischof von Bamberg verkauft. ↑

  12. Sonnegg liegt im Jauntal etwa 15 km sĂŒdlich von Völkermarkt und 5 km sĂŒdlich von Eberndorf. Schloss und Herrschaft waren von 1442/44 im Besitz der Ungnad. ↑

  13. https://www.oldenburg.de/startseite/tourist/zeitgeschichte/oldenburger-koepfe/graf-anton-guenther.html ↑

  14. http://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_von_Ungnad ↑

  15. Das Leben der Prinzessin Charlotte AmĂ©lie de la TrĂ©moĂŻlle, GrĂ€fin von Aldenburg (1652 – 1732): erzĂ€hlt von ihr selbst. Eingel., ĂŒbers. und erl. von Reinhard Mosen, Oldenburg 1892. Belegexemplar in der Landesbibliothek Oldenburg. ↑

  16. Carl Frederik Bricka (Hrsg.): „Anton I. von Aldenburg”, in: Dansk biografisk Lexikon. Tillige omfattende Norge for Tidsrummet 1537–1814,. 1. Auflage, Band1: Aaberg–Beaumelle. Gyldendalske Boghandels Forlag, Kopenhagen, 1887, S.174 – 175 (dĂ€nisch) ↑

  17. Barbara Dölemeyer: „Mehrmals war ein Beistand des Kaisers nötig – Regentinnen im Landgrafenhaus Hessen-Homburg“, in: Jahrbuch des Hochtaunuskreises 2019, S. 8 – 12 ↑

Nach oben scrollen