02 HISTORIE Ratiborsky von Sechzebus

Ratiborsky von Sechzebus –
protestantische Exulanten aus Böhmen
1375 / 1450 – 1734




Es handelt sich um eine alte Familie von Vladyken; ihre ersten Sitze waren Zebus und MělnĂ­k (heute Ortsteile der Stadt Steti nad Labem / WegstĂ€dtl an der Elbe, Kreis Leitmeritz – im Norden von Tschechien)[1].

Vladyken (tschechisch Vladyka) sind ein eigener Stand der mittelalterlichen und frĂŒhneuzeitlichen tschechischen Gesellschaft. UrsprĂŒnglich bilden sie die relativ breite Schicht der freien, Waffen tragenden Landbesitzer. Vermutlich gibt es Vladyken schon in frĂŒhgeschichtlicher Zeit bei den in Böhmen und MĂ€hren siedelnden westslawischen StĂ€mmen, nicht jedoch unter der spĂ€ter zugewanderten deutschen Bevölkerung Böhmens.

Seit der Entstehung des böhmischen Königtums verloren die Vladyken an Bedeutung, denn es hat sich der eigentliche tschechische Adel aus Herren und Rittern herausgebildet. Ein Teil der Vladyken steigt in den Ritterstand auf, andere sind zu unfreien Bauern herabgesunken. Auch im SpÀtmittelalter bleiben die Vladyken aber persönlich frei, und sie können bÀuerliche Untertanen haben. Bei der Besteuerung bilden sie eine eigene Gruppe. Anders als der eigentliche Adel der böhmischen LÀnder sind sie aber nicht zur Teilnahme an den Landtagen berechtigt. Erhebungen in den Vladykenstand kommen im 16. Jahrhundert noch vor.

Die tschechischen Vladyken sind mit den ebenfalls von der Masse der untertÀnigen Bevölkerung abgehobenen Lehnbauern oder Freibauern in anderen Territorien des Alten Reiches vergleichbar[2].

Die Erstnennung der Herren von Ratibor erfolgt am 4.6.1375 – Ritter Hanus (Hans) von Ratibor ist Zeuge als Karl IV. von Luxemburg, König von Böhmen, und spĂ€terer deutscher Kaiser, Luditz / Ćœlutice das Stadtrecht verleiht[3] (Ratibor/Ratiworz ist heute ein Ortsteil der Stadt Luditz/Zlutice im Kreis Karlsbad). Dabei handelt es sich ursprĂŒnglich um eine im Zeitraum der Gotik entstandene Burg um 1350 „…die auf einem BergrĂŒcken, nahe eines Weihers, in der Mitte des Ritterguts Ratiworz, von den Ratibor erbaut worden ist“ (sichere Datierung ab 1403). 1389 ist Hans von Ratibor Burgmann auf Becov (Petschau im Karlsbader Kreis) und 1395 hat er Kozlov (Koßlau, heute Teil von Bochov, zu deutsch: Buchau bei Udrc/Udritsch) inne.

Als nÀchstes erscheint 1406 Henry (Heinrich) von Ratibor aus Ratiworz und 1437 Vitek (Veit) von Ratibor.

Laut einer Version findet unter Janek von Sechzebus eine Namensvereinigung der Ritter von Ratibor mit den Rittern von Sechzebus statt um 1450: „Ratiborsky von Sechzebus“[4]. Andererseits soll Janek von Sechzebus 1456 seinen Hof in Zebus verkauft, und stattdessen Ratibor erworben haben. Seine Nachkommen nennen sich seitdem „Ratiborsky von Sechzebus“[5].

Vermutlich sein Sohn, Jan (Johann) Ratiborsky von Ratibor, der 1492 als GlĂ€ubiger von Jindƙich ze Plavna (Heinrich von Plauen) auftritt, verkauft Kozlov und erwirbt dafĂŒr 1569 Vladoƙice (deutsch: Wladarz – eine kleine Siedlung, Teil der Stadt Luditz/Ćœlutice im Bezirk Karlsbad und ist etwa 4 km entfernt). 1537 hat Jan von Vƙesovice bereits Vladoƙice/Wladarz – die Festung und das Dorf – an Jindƙich IV. ze Plavna (Heinrich IV. von Plauen aus dem Haus der Vögte von Plauen) verkauft:

Heinrich IV. von Plauen stammt aus der Ă€lteren Linie des Hauses Plauen (geboren 1510, wahrscheinlich am 24. August, gestorben am 19.5.1554 in Stadtsteinach bei der Belagerung der Plassenburg) ist Oberstkanzler des Königreichs Böhmen seit 22. Januar 1542 – ernannt durch König Ferdinand I. von Böhmen (Haus Habsburg – siehe: 03 LVL HISTORIE), Burggraf von Meißen, Herr zu Plauen, Gera, Greiz, Schleiz und Lobenstein, Herr zu Theusing, Neuhartenstein, Engelsburg und Luditz gewesen. Mit Urkunde Kaiser Karls V. vom 24. Mai 1548 erfolgt auf dem Reichstag zu Augsburg die Ernennung Heinrichs IV. „als des Reiches gefĂŒrsteter Burggraf zu Meißen“.

Obwohl zeitlebens Katholik, wehrt er alle Rekatholisierungsversuche seiner vogtlĂ€ndischen Herrschaften von außen ab, fördert die evangelische Kirche und erlĂ€sst 1552 eine burggrĂ€fliche Kirchenordnung, entworfen vom evangelischen Plauener Superintendenten[6].

Ein Zusammenschluss deutscher FĂŒrsten, das sogenannte „bundesstĂ€ndische Heer“ unter Moritz von Sachsen (dieser steht in Briefwechsel mit Hans III. Ungnad von Weissenwolff!) als Oberbefehlshaber, an dem sich auch der Bruder von Kaiser Karl V. – König Ferdinand I.– beteiligt, bekĂ€mpft Markgraf Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, der Franken unter seine Herrschaft vereinen will – und das Gegenteil erreicht (u.a. geht im 2. MarkgrĂ€flerkrieg in der FrĂ€nkischen Schweiz die Burg Neideck zugrunde!). Moritz von Sachsen verstirbt nach der Schlacht an den Folgen seiner Verletzungen. Albrechts Heimatlande in Franken werden verheert, Bayreuth, Hof, Neustadt an der Aisch und Kulmbach gehen noch 1553 in Flammen auf. Die Plassenburg, Residenz und Landesfestung der frĂ€nkischen Hohenzollern, wird bis Juni 1554 belagert und nach der Übergabe zerstört[7].-



Die Söhne von Jan (Johann) Ratiborsky von Ratibor sind die 1572 genannten BrĂŒder Jiƙík (Georg), Adam und Hynek – zunĂ€chst halten sie Vladoƙice, dann verkaufen die beiden Letzeren das Gut schließlich an Sabina RatiborskĂĄ (geborene Pergler von Perglas). Sie wiederum gibt das Gut Vladoƙice 1578 weiter an KunrĂĄt Kaplíƙ von Sulevice, einem Verwandten von KaĆĄpar Kaplíƙ von Sulovice (siehe: 03 LVP HISTORIE)[8].

In den Jahren 1515 – 1533 erscheint Jans Bruder Jiƙí (Georg) Ratiborsky ze Chcebuze ebenfalls in den Aufzeichnungen der Herren von Plavna (Vögte von Plauen), worin verzeichnet ist, dass er 1524 auf Ratibor residiert. Nach seinem Tod ĂŒbernimmt sein Sohn, MikulĂĄĆĄ (Nikolaus) Ratiborsky 1567 dessen Besitz. Anscheinend um die Wende des 15. auf das 16. Jahrhundert hat die ursprĂŒnglich gotische Burg die BedĂŒrfnisse seiner Besitzer nicht mehr befriedigt, und so errichten die Ratiborsky ze Chcebuze ein neues Renaissanceschloss; von der ursprĂŒnglichen Burg ist heute nur noch im sĂŒdöstlichen Teil des GelĂ€ndes ein Gewölbekeller zu sehen[9].

Nach MikulĂĄĆĄ (Nikolaus) folgt 1577 sein Sohn Jan (Johann), der 1584 einen Teil von Vahaneč (das heute Teil von Werscheditz/Luditz – VeruĆĄičky-Ćœlutice ist) und 1592 Martice (deutsch: Maroditz im Karlsbader Kreis) erwirbt. 1578 geht er die Ehe ein mit Margaretha Freimuth von TropschĂŒtz, ist 1606 verschieden, und hinterlĂ€sst die Söhne MikulĂĄĆĄ (Nikolaus), Jan JĂĄchym (Johann Joachim) und Jiƙí Volf (Georg Wolf). Die erste schriftliche ErwĂ€hnung von Burg und Dorf Martice (Maroditz) stammt aus dem Jahr 1383. Als Jan Ratiborsky von Sechzebus das Gut von dem Geschlecht derer von Steinsdorf erwirbt und es mit seinem Besitz in Ratiworz verbindet[10].

Das Geschlecht spaltet sich in zwei Linien auf:

eine tschechische (böhmische) und eine frÀnkische Linie
Linie 1 – katholisch – in Tschechien/Böhmen:


Jan JĂĄchym (Johann Joachim) Ratiborsky von Sechzebus hat zum grĂ¶ĂŸten Teil Ratiworz bekommen, verkauft 1617 offensichtich diesen Anteil, um sich 1630 das Gut Děpoltovice (TĂŒppelsgrĂŒn – Bezirk Karlsbad / Karlovy Vary) leisten zu können. TĂŒppelsgrĂŒn geht von Stephan Graf Schlick 1594 an Joachim von Jahn auf Ottowitz und 1602 an Anna Maria GrĂ€fin Schlick, geb. von Schwamberg. 1630 verkauft es deren Schwester Salomena an Johann Joachim und seinen Sohn Wolf Friedrich, der es noch 1637 bewirtschaftet hat.

Im Jahre 1605 verĂ€ußert der damalige Besitzer des Anwesens Údrč (Udritsch), Fabian Sebastian Pröllhofer von Purkersdorf (siehe: 03 LVP HISTORIE), die HavelmĂŒhle an den Ritter Johann Joachim Ratiborsky von Sechzebus. Diese wird vermutlich im 16. Jahrhundert am linken Ufer des Schnellabaches im Tal entlang der ehemaligen Verusitzer Straße und dann Richtung Luditz, etwa einen Kilometer sĂŒdöstlich des heute völlig verschwundenen Dorfes Mariastock (Skoky), erbaut[11].

Johann Joachim stirbt vor 1640 und hinterlĂ€sst noch die Söhne Christoph Abraham, verheiratet mit Dorothea Sofia Pröllhofer von Purkersdorf (und findet ErwĂ€hnung in der Urkunde Nr. 98 im Repertorium 311 der Lochner von HĂŒttenbach, heute im Staatsarchiv NĂŒrnberg), Adam Ernst und Wilhelm Gotthard. Letzterer erhĂ€lt von seiner Mutter, Anna von Rabic, den Bauernhof Lhotka in der NĂ€he von Tachov (Tachau im Pilsener Kreis), er ist 1679 verschieden. Offensichtlich seine Frau Floriane Kordula Tucher aus Ć oberov hat den Hof bis 1690 in Besitz gehabt[12].

Linie 2 – protestantisch – in Franken/Markgrafentum Bayreuth:


Mikulåƥ (Nikolaus) Ratiborsky von Sechzebus bekommt aus dem Nachlass seines Vaters den Anteil an Ratiworz, den er 1615 verkauft, und vermÀhlt sich bereits am 13. Januar 1605 mit der 17jÀhrigen Elisabeth Lochner von Palitz, um dann 1628 den protestantischen Glauben anzunehmen. Mit seiner Familie emigriert er in die alte Heimat der Vorfahren seiner Gattin, ins Markgrafentum Bayreuth (heute Oberfranken) und in der NÀhe von Hof erstehen sie 1628 Unterkotzau, wo er 1631 verstirbt. Sie haben zusammen 11 Kinder, darunter drei erwachsene Söhne.

Der Älteste namens Georg Adam (1607 – 7.10.1672) nimmt sich seine Frau 1643 aus dem Geschlecht der von Ebra namens Anna Maria (1600 – 24.3.1679) und erhĂ€lt Unterkotzau.

Die Familie von Ebra stammt aus Thalebra im heutigen NordthĂŒringen und dem frĂŒheren FĂŒrstentum Schwarzburg-Sondershausen. Im 14. und 15. Jahrhundert sind Vertreter der Familie im Rat der Stadt Heiligenstadt vertreten (Heilbad Heiligenstadt ist eine Kreisstadt im Landkreis Eichsfeld in ThĂŒringen und ein anerkanntes Sole-Heilbad). 1818 stirbt die Familie im Mannesstamm aus. Nach dem Absterben der alten Familie von Ebra im Mannesstamm erhĂ€lt der königlich-preußische Premierleutnant des 7. KĂŒrassierregiments, Heinrich Wilhelm Pfaff († 13. Januar 1854), Schwieger- und Adoptivsohn des Ludwig Wilhelm August von Ebra (†28. Juni 1818), 1822 im Zuge seiner Nobilitierung die Erlaubnis Namen und Wappen der Familie weiterzufĂŒhren[13].-

Der zweite Bruder Christian Friedrich (1628 – 10.11.1697) ist zunĂ€chst ebenfalls auf Unterkotzau, hat spĂ€ter Besitz in Billmuthhausen, ThĂŒringen, im Amt Heldburg, zusammen mit Wolf Christoph HĂ€ndel von Ramingsdorf (Amt Heldburg: Besteuerung des Rittergutes Billmuthhausen – Archivsignatur: 883, Inventarunterschrift: 4-11-2300, von 1650 – 1688) und ist (wie spĂ€ter sein Sohn) markgrĂ€flicher Oberamtmann von Streitberg (ab 11.8.1658 – 1696/1697)[14]. Er ist Magistrat und Kammerdiener des KurfĂŒrsten von Sachsen am Hof in Dresden. Bei seiner ersten Ehefrau frönt seine Frau Mutter ihrem Lieblingshobby ihre Kinder bestmöglich zu verheiraten, möglichst in der Verwandtschaft: mit Eva Susanna Steger von Ladendorf (~1630 – 1672), Exulanten aus oberösterreichischem Uradel, heiratet er die Tochter der Cousine seiner Mutter (Hoffmann von MĂŒnchshof aus Böhmen). Seine zweite Gattin nimmt er sich 1690[15] aus einer protestantischen Exulantenfamilie, die aus Niederösterreich stammt: Anna Polyxena Stockhorner von Starein (2.2.1650 – 1720).

Mit seiner ersten Ehefrau hat er den Sohn Christian Albrecht (1655 – 28.04.1723), der 1712 auf Unterkotzau wohnt, und seine Frau Isabella Dorothea von Wirsberg (~Ostern 1653 – 31.03.1699), aus einem der Ă€ltesten Adelsgeschlechter Frankens heimfĂŒhrt.

Gemeinsam mit den Förtsch von Thurnau und den Herren von Wallenrode lassen sich die Herren von Wirsberg auf einen 1149 im „Giechburgvertrag“ genannten „Eberhard de Briswize“ (Oberpreuschwitz, heute Ortsteil von Bayreuth) zurĂŒckfĂŒhren (siehe: 02 HISTORIE StĂŒbig/Neidecker). Als Stammsitz der Ritter von Wirsberg gilt die Burg Lanzendorf (bei Himmelkron im Landkreis Kulmbach)[16]. 1303 erhĂ€lt Heinrich von Wirsberg vom WĂŒrzburger Bischof das Patronat ĂŒber die Lanzendorfer Kirche zu Lehen. Nach einem Lehensverzeichnis der Grafen von Henneberg aus dem Jahr 1317 haben die Wirsberger zahlreiche Zehnten, darunter in Lanzendorf, Marktschorgast, Grafendobrach, Goldkronach und Gesees in Oberfranken zu Lehen, die aus dem Erbe der Andechs-Meranier an dieses Geschlecht gelangt sind. Lanzendorf bleibt bis zum Aussterben der Familie mit dem Tod des Philipp Christian von Wirsberg im Jahr 1687 im Besitz der adeligen Familie[17].-

Als nĂ€chstes folgt dessen Bruder Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus (1652 – 12.02.1709), der den Besitz in Regnitzlosau hĂ€lt und 1688 – 1690 Stall- und Hofmeister am Hof des Herzogs von WĂŒrttemberg in Stuttgart wird, wo er sich mit Veronika von Wangenheim vermĂ€hlt; zurĂŒck in der Heimat erreicht er 1701 den Titel eines Oberhofmeisters beim Markgrafen in Bayreuth und ist dessen vorletzter Oberamtmann in Streitberg „auf dem Gebirg“[18] (siehe unten).

Sie haben auch eine Schwester, Christiane Marie Elisabeth (? – 29.4.1695), die die Ehe eingeht mit Hans Wilhelm von Erffa[19] ein (28.3.1647 – ?). Ihre beiden Töchter heißen Christiane Charlotte, ĂŒber die nichts weiter bekannt ist, und Christiane Sophie von Erffa. Sie heiratet einen jungen Mann aus der Familie der Hofer von Lobenstein.

Die Familie der Freiherren von Erffa entstammt dem thĂŒringischen Uradel und ist vermutlich edelfreien Ursprungs. SpĂ€ter gehört das Geschlecht der FrĂ€nkischen Reichsritterschaft der Kantone Odenwald und Rhön-Werra an. Das Geschlecht erscheint erstmals urkundlich im Jahre 1170 mit Hartungus de Erfaha. Gut ein halbes Jahrhundert spĂ€ter begleitet wiederum ein Hartung v. Erffa Landgraf Ludwig (den Heiligen) von ThĂŒringen auf dem FĂŒnften Kreuzzug. Nach dessen Tod bringt er seine Gebeine von Otranto zurĂŒck nach ThĂŒringen, wo er zunĂ€chst auch als Vormund der Witwe Ludwigs, der Heiligen Elisabeth, agiert hat. UrsprĂŒnglich edelfrei, werden die Herren von Erffa nach dem Ende des thĂŒringisch-hessischen Erbfolgekriegs im 13. Jahrhundert Gefolgsleute der Herrscher von Sachsen (Haus Wettin). Im Laufe der Jahrhunderte bekleiden Angehörige der Familie vielerlei hohe Positionen als RĂ€te oder Minister, insbesondere im SĂ€chsisch-ThĂŒringischen sowie im FrĂ€nkischen. Das Geschlecht besteht bis heute.-

Der dritte Sohn von Elisabeth Lochner von Palitz, verheiratete Ratiborsky von Sechzebus, ist schließlich Johann Wolf Ratiborsky von Sechzebus (1623 – 1673) der Regnitzlosau inne hat, und das GlĂŒck, dass sich seine Frau Mama bei ihrem Vetter Rochus Lochner von HĂŒttenbach durchsetzt und so kann er dessen einzige Tochter Maria Sabina Susanna (1630 – 16.06.1699) am 15. Juni 1651 zum Traualtar fĂŒhren. Das Konnubium unter der lochnerischen Verwandtschaft setzt sich fort. Es werden ihnen mehrere Töchter geboren, sowie der Sohn Johann Friedrich 1669 (siehe: 03 LVH HISTORIE).

Christian Albrecht fĂŒhrt die Linie in Franken fort und sein Sohn Christian Wilhelm (1686 – 1711) ist der Letzte mĂ€nnliche Vertreter seines Geschlechts; zuvor, im Jahr 1698, ernennt ihn der KurfĂŒrst von Sachsen zum Gouverneur von Hof. Seine Tochter Eva Christiana Eleonora erbt nach ihm das Gut Unterkotzau und heiratet Sylvius Gottlieb von Gellhorn (1683 – 1734). Sie versterben kinderlos.

Gellhorn ist der Name eines weitverzweigten schlesischen Uradelsgeschlechtes. Ein Zweig erhĂ€lt 1656 den böhmischen Freiherren- und Grafenstand. Möglicherweise ist das Geschlecht sĂ€chsischen oder thĂŒringischen Ursprungs und soll 1241 in das Herzogtum Schlesien gezogen sein[20]. Die Familie blĂŒht bis heute.-

Nun ein historisch interessanter RĂŒckblick auf das Geschlecht der Ratiborsky von Sechzebus in Franken:

In den Werken ĂŒber die Mitglieder dieser Familie kommen sie in den unterschiedlichsten – und vor allem unmöglich geschriebensten – Schreibweisen vor. Und die Autoren rĂ€tseln dann als nĂ€chstes, woher denn dieser seltsame Name kommen könnte. Kneschkes Adelslexikon von 1865 hilft erneut weiter und verrĂ€t dem Interessierten, dass es sich um eine böhmische Exulantenfamilien handelt, die wegen des 30jĂ€hrigen Krieges als Protestanten fliehen mussten. Allerdings wandern die meisten Exulanten nach Sachsen aus, seltener ins relativ kleine Markgrafentum Bayreuth, sinniert der Autor des Artikels des FrĂ€nkischen Heimatboten von 1985[21]

Als der Ehemann von Elisabeth Lochner von Palitz, Nikolaus Wolf Ratiborsky von Sechzebus[22], und sie zu einem baldigen Ergebnis kommen mĂŒssen, nach dem zitierten Rekatholisierungspatent des Kaisers von 1627, ist ihr Mann von Elisabeths Argument doch in die alte Heimat ihrer Vorfahren zurĂŒck zu kehren nicht abgeneigt. Hermann II. Lochner von Drossenfeld, Elisabeth Lochners direkter Vorfahre war ja Burgmann auf der Plassenburg um 1400. Als hĂ€tte der Junker Ratiborsky es geahnt, verkauft er rechtzeitig – vor der Schlacht am Weißen Berg 1620 – seinen Besitz zu Ratiworz und Maroditz – und zwar letzteres Gut 1615 an JĂĄchym (Joachim) LibĆĄteinskĂœ von Kolovrat[23].

Die Großnichte seiner Frau Elisabeth Lochner von Palitz, nĂ€mlich Anna Barbara, und Enkelin deren Bruders Wolf Christoph Lochner von Palitz, heiratet in diesen böhmischen Hochadel ein – sie ist die letzte Lochnerin ihrer Linie in Böhmen (siehe: 02B LVP DATEN – dort befindet sich der Stammbaum-Auszug der Grafen Kolowrat-Liebsteinsky und Lochner von Palitz).

Nikolaus und Elisabeth entschließen sich das alte Wasserschloss und Burggut Unterkotzau bei Hof zu kaufen, was das vorher Reitzenstein‘sche Gut zu Köditz und Höfe zu Eppenreuth beinhaltet[24]. und emigrieren 1628 dorthin… keine drei Jahre spĂ€ter verstirbt der „Nobilis Bohemus“ am 17. Oktober 1631.

Jetzt steht die Lochnerin, verwitwete Ratiborsky, mit 6 halbwĂŒchsigen Kindern alleine da. Bis zu diesem Zeitpunkt um 1632 bleibt das kleine Markgrafentum von den Schrecken des 30jĂ€hrigen Krieges verschont. Das sollte sich nun Ă€ndern – es gestattet Einblicke in die alltĂ€glichen Greuel dieser schrecklichen Zeit[25]:

1633 nehmen 200 kaiserliche Dragoner das Wasserschloss in Unterkotzau ein, wo sich gerade eine gesellige Runde aus Adeligen der Umgebung trifft. Diese Soldateska plĂŒndert und mordet in der ganzen Gegend und nimmt die Herren gefangen, um sie nach Kronach in ihr Hauptquartier abzutransportieren und viel Lösegeld zu erpressen. Es handelt sich um den Hausherrn Ratiborsky selbst, dann Christoph von Reitzenstein, ein Herr von Waldenfels und ein Herr von Watzdorf. Wieviel Lösegeld erzielt wird und wie und wann sie wieder nach Hause kommen, ist leider nicht aufgezeichnet. Weiteres Ungemach bricht ĂŒber Unterkotzau herein: 1635 und 1636 treiben Piccolominische Kompanien wiederholt das Vieh weg und peinigen die Bevölkerung „bis aufs Blut“. Geschockt dĂŒrfte Elisabeth dann von einem weiteren Schicksalsschlag gewesen sein: eine ihrer drei Töchter geht am 9. Juni 1636 freiwillig mit diesen katholischen Truppen und bleibt verschollen – vielleicht verliebt sich das junge MĂ€dchen in einen dieser Soldaten, vielleicht schwanger, sieht sie keinen Ausweg als ihm zu folgen.

Auf Unterkotzau folgen immer neue Einquartierungen von fremden Soldaten – 1637 liegt die Leibkompanie des Generals Gallas (dieser kaiserliche General ist mit seinen Truppen auf dem Weg Richtung Ostsee, um gegen die Schweden zu kĂ€mpfen) mit 300 Pferden dort[26]. Von je 100 Taler Vermögen wird je Âœ Taler „Umlage“ gefordert. Dann passiert das nĂ€chste UnglĂŒck: 1638 fĂŒhrt eine kaiserliche Streife Elisabeths Ă€ltesten Sohn Georg Adam Ratiborsky von Sechzebus als Geisel mit sich. Als er endlich heimkehren darf, findet er seinen Besitz völlig ausgeplĂŒndert vor – selbst die Lehensbriefe sind verschwunden und mĂŒssen in Bayreuth beim Markgrafen neu beantragt werden (verarmt sind die Ratiborsky von Sechzebus dadurch nicht; seine spĂ€tere Ehefrau Anna Maria, eine geborene von Ebra, stiftet als Witwe 1680 den vier Hofer Kirchen 210 Gulden – ĂŒberhaupt zeigen sich die Ratiborsky von Sechzebus großzĂŒgig und spenden der Kirche in Köditz einen kleinen Abendmahlskelch mit ihrem Wappen, dann 1697 das AbendmahlsgerĂ€t fĂŒr diese Kirche aus reinem Silber vergoldet und ab 1713 bis 1723 – bis sie aussterben – noch zusĂ€tzlich die Altarkerzen jĂ€hrlich. 1724 bis 1734 ĂŒbernehmen die von Gellhorn, und damit die letzte Ratiborsky von Sechzebus, Eva Christiana Eleonora, die Sylvius Gottlieb von Gellhorn geheiratet hat, den jĂ€hrlichen Betrag fĂŒr die Kerzen, und sie vermacht 1726 dieser Kirche die Altarbekleidung und BlumenkrĂŒge aus Zinn[27]. –

Der Horror des 30jĂ€hrigen Krieg geht weiter: 1640 fallen mehrere Höfe einem verheerenden Feuer zum Opfer und ein 60 Mann starkes Kommando von Kroaten macht die Gegend unsicher. Wenige Tage spĂ€ter taucht noch ein Streifkorps der Schweden mit 150 Pferden auf. In einem Schadensbericht der Ratiborsky von Sechzebus von 1641 an den Markgrafen erklĂ€ren sie alleine in ihrer Herrschaft fĂŒnf Höfe als völlig zerstört. 1642, also sechs Jahre bevor der Alptraum nach 30 Jahren endlich ein Ende haben sollte, lagern letztmalig kaiserliche Truppen in Unterkotzau. Von dort inspizieren sie die Tore der Stadt Hof und beobachten eine schwedische Besatzung, die in der Hofer Burg liegt.

10 ruhige Jahre sollten Elisabeth noch verbleiben bis zu ihrem Tod 1658 im hohen Alter von 70 Jahren, in denen sie sicher ihre Enkel aufwachsen sieht und sie ihrer LieblingsbeschĂ€ftigung – dem Hochzeitsplanen – weiter frönen kann, ihre Kinder mit den oberfrĂ€nkischen Adelsgeschlechtern bestmöglich zu verbandeln. Sie hat ihre beiden verbleibenden Töchter zu guten Hausfrauen erzogen und da selten ein Ausflug in die Lebenswelt einer adeligen Tochter möglich ist, sei hier davon erzĂ€hlt: Tochter Anna Sabina vermĂ€hlt sich am 12. November 1643 in Hof mit Wolf Christoph TrĂŒtzschler von Falkenstein, einem vogtlĂ€ndisch-meißnischen Uradelsgeschlecht mit der Erstnennung von 1122. Die beiden Hauptlinien der Familie sitzen auf Falkenstein im Vogtland und Oberlauterbach. Dieser Familie steht die niedere und sogar die hohe Gerichtsbarkeit innerhalb ihrer Herrschaft zu, und sie wird am 5. Januar 1900 in den königlich sĂ€chsischen Freiherrenstand[28] als „von TrĂŒtzscheler Freiherr zum Falkenstein“ erhoben[29].



Die zweite Tochter Dorothea Ratiborsky von Sechzebus heiratet am 9. November 1646 in Hof in ein nicht minder bedeutsames Adelsgeschlecht, und mit ihrer jungen Familie erfĂ€hrt man hier etwas vom Neufang nach dem langen Krieg und, dass sie eine gute Erziehung genossen hat und fleißig zupackt. Reichsfreiherr Johann Heinrich III. von KĂŒnßberg[30] auf Nagel und Oberlangenstadt ist ihr AuserwĂ€hlter[31]; er kĂ€mpft nicht nur wĂ€hrend des 30jĂ€hrigen Krieges, sondern auch in den TĂŒrkenkriegen (1661 – 1683) und in spĂ€teren kriegerischen Auseinandersetzungen der Bayreuther mit Frankreich. Er lebt mit seiner Familie als Erster auf dem Schloss in Nagel und richtet dort das bis heute bestehende Archiv ein. Sie leben friedlich in dem von den von Redwitz erstandenen Bau genannt „Neue Kemenate“, die damals mit einem Wassergraben umgeben ist, was einen guten Schutz gegen das Raubgesindel bietet. Hans Heinrich bestellt sein Gut alleine und Dorothea nĂ€ht die benötigten KleidungsstĂŒcke höchst selbst. Er richtet ihr ein kleines LustgĂ€rtchen mit Fliederlauben neben ihrem Haus ein – ganz idyllisch! Doch selbst der junge KĂŒnßberg hat MĂŒhe seine Familie durchzubringen. Es fehlen ĂŒberall Menschen, das Vieh ist knapp und um Äcker zu bestellen, mĂŒssen sich die Menschen selbst vor den Pflug spannen[32].


Hans Heinrich schenkt dickes Bier in der DorfschĂ€nke aus und holt Nahrung fĂŒr die Seinen aus den Weihern, der SchĂ€ferei und der Jagd. Zum Gut gehört ein Obstgarten, 20 Acker Gehölz auf dem Nagler Berg und vieles mehr. Zudem mĂŒssen 11 Bauern Frondienste leisten und zwar jĂ€hrlich von „Walburgi bis Michaeli“ (also von Anfang Mai bis Ende September) bekommen sie 12 Pfennige dafĂŒr, allerdings bei Selbstverpflegung. Als dann eine KĂŒnßberg-Linie ausstirbt, erbt er weiteren Besitz und seine allodialen GĂŒter zu Nagel avancieren zum Brandenburgischen Rittermannlehen 1684. Schließlich erwirbt er die sogenannte „Alte Kemenate“ auf Nagel, die er die ganzen Jahre vorher schon von den von Redwitz gepachtet hat.

1673 wird Hans Heinrich als „GewĂ€hlter Ritterrat auf dem GebĂŒrg“ zusammen mit Johann Heinrich von Guttenberg beauftragt, dem kaiserlichen Reichsheer nach Eger entgegenzureiten und dasselbe durch das ritterschaftliche Gebiet zu geleiten. Das kaiserliche Heer ist damals zur Sammelstelle NĂŒrnberg gezogen, von wo aus der Obrist und FĂŒhrer dieses Kontingents, Markgraf Christian Ernst, 100 Reiter und 600 Mannschaften gegen Frankreich fĂŒhren sollte. Hans Heinrichs neun Kinder haben Dorfschulbildung genossen; es ist wenig Geld vorhanden fĂŒr eine höhere Ausbildung. Die Söhne wachsen ziemlich wild heran und lernen hauptsĂ€chlich Jagd und Fischfang. Schon damals wird in ihnen die Vorliebe zu den Waffen geweckt. Man berichtet ihnen ĂŒber die tapferen Taten ihrer Vorfahren im DreißigjĂ€hrigen Krieg! So eilen die vier Söhne auch bald zu den Waffen. Georg Wilhelm und Christoph Adam dienen bei den Kaiserlichen, Wolf Ernst beim WĂŒrzburgischen FĂŒrstbischof und Hans Christoph beim Markgrafen zu Bayreuth. Alle vier nehmen an der Befreiung Wiens von den TĂŒrken teil unter ihrem FĂŒhrer, dem Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth. Dieser bringt die Fahne und den Roßschweif des Großwesirs mit nach Hause. Die KĂŒnßbergs dagegen bringen aus dem Kriege zwei TĂŒrken als Diener mit, die noch lange in Nagel und Oberlangenstadt leben und als Pferdepfleger und GĂ€rtner (siehe unten) beschĂ€ftigt sind[33].

Als Hans Heinrich von KĂŒnßberg 1691 stirbt, Dorothea hatte ihn schon 1672 als Witwer hinterlassen, wird er in der Kirche in Schmölz, wo er ein Kirchenpatronat hat, aufgebahrt. Erfolgreich hat er seinen Besitz stark vergrĂ¶ĂŸert und abrunden können.

1698 ĂŒbernimmt nach dem Tod des Vaters der Sohn Hans Christoph von KĂŒnßberg als Erbe das Schloss Nagel. Der Gute verliebt sich ganz unstandesgemĂ€ss in ein BauernmĂ€dchen – die Daßlerin aus Merzbach – und, nicht anders als 200 Jahre zuvor (siehe: Lochner von Ebermannstadt im Amt Neideck), kommt dies einem Skandal gleich: er steht zu seiner großen Liebe, ehelicht sie auch noch, und er erkennt den kleinen Jungen namens Philipp Heinrich, den sie ihm schenkt, als seinen legitimen Nachfolger an! Die adelige KĂŒnßbergische Verwandtschaft ist außer sich und am Toben: sie verweigern dem Sohn jegliche Anerkennung, ĂŒberziehen ihn mit HĂ€me und Prozessen und versiegeln sogar den Zugang zum GestĂŒhl der Kirchen, ĂŒber das die KĂŒnßberg Patronatsrechte haben.

Als er 1721 krĂ€nkelt, geht sogleich das GerĂŒcht um, er wĂ€re verstorben. Und tatsĂ€chlich rĂŒcken Soldaten aus nach Nagel, denn einer seiner raffgierigen Verwandten ist Kommandant der Veste Rosenberg, und mit viel LĂ€rm als Ausdruck der grenzenlosen Freude, dass der Schlossherr tot sei, treffen sie dort ein: aber…welch Wunder: Hans von KĂŒnßberg schaut aus dem Turmfenster und beschimpft die Bande als „Erbschleicher“. Allerdings stirbt er tatsĂ€chlich kurz nach diesem unfreulichen Ereignis im MĂ€rz 1721 im Alter von 60 Jahren.

Sein Sohn muss als Alleinerbe bis zu seinem eigenen Ende Prozesse fĂŒhren, was ihm als kurfĂŒrstlich-sĂ€chsischem Hauptmann durchaus möglich ist. 1714 heiratet er eine Generalstochter, GrĂ€fin Johanna Amalie von Schulenberg, und sie haben zusammen sechs Kinder, doch – wie so oft damals – ĂŒberlebt kein einziges und als 1743 Philipp Heinrich stirbt, erbt die gierige Verwandtschaft.

Nach diesem kleinen Abstecher in den Alltag eines heute noch munteren Adelgeschlechts in Franken nach dem 30jĂ€hrigen Krieg, sei nun abschließend der Neffe der beiden Ratiborsky-Damen – Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus – erwĂ€hnt, einer der letzten OberamtmĂ€nner des Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth in Streitberg.

Der Enkel der bereits allseits bekannten Elisabeth Lochner von Palitz ist ein außergewöhnlicher Mann, geboren um 1652 in der neuen Heimat der Familie im Wasserschloss Unterkotzau bei Hof, nĂ€mlich seinen Eltern Christian Friedrich Ratiborsky von Sechzebus und Eva Susanna Steger von Ladendorf, die Tochter der Cousine seiner Mutter namens Susanna Barbara, geb. Hoffmann von MĂŒnchshof, Exulanten aus Böhmen (siehe oben und Anhang). In einem ausgiebigen Artikel[34] im „FrĂ€nkischen Heimatboten“ von 1985 widmet ihm der Autor Karl MĂŒssel ein interessantes PortrĂ€t, da er sich, in nie da gewesener Weise, fĂŒr die Belange seines Markgrafen einsetzt…

Bald nach Georg Christophs Geburt um 1652 wird sein Vater Christian Friedrich Stallmeister beim Markgrafen in Bayreuth. Dort wĂ€chst der Knabe heran, um dann am Gymnasium in Hof seinen Abschluss zu machen, denn in alten Matrikeln findet sich ein „G.Chr.“, der 1673 die Schule verlĂ€sst. Er wird als Kornett bezeichnet, was eine miltiĂ€rische Ausbildung zum Offizier voraussetzt, und in den 1670er Jahren unternimmt er Reisen, denn dass dafĂŒr Gelder vorgesehen sind, wird im Nachlass seiner Mutter entsprechend vermerkt. In den 1680er Jahren ĂŒbergibt sein Vater das Rittergut Unterkotzau an seine drei Söhne[35] (Anm.d.Verf.: es sind nur zwei Söhne bekannt) – als der Älteste erhĂ€lt er Unterkotzau. Doch es zieht ihn hinaus in die Welt; er tritt in wĂŒrttembergische Dienste und wird zunĂ€chst 1688 Stallmeister in Stuttgart, und 1690 Hofmeister[36]. Etwa um diese Zeit vermĂ€hlt er sich mit Veronika von Wangenheim, denn die Tochter Sophia Charlotte Eleonora Ratiborsky von Sechzebus wird 1688 geboren. 1690 schreibt er aus Stuttgart und den Feldlagern in Sinzheim und Bruchsal; er ist also Teilnehmer an den KĂ€mpfen des PfĂ€lzischen Erbfolgekrieges. 1692 wird er als Obervogt nach Heidenheim an der Brenz berufen, erhĂ€lt den Titel eines herzoglichen Rates 1697 und scheidet ĂŒberraschend aus wĂŒrttembergischen Diensten aus. Hat der Markgraf ihm, nach dem Tod des Vaters, der ein Jahr zuvor verstorben ist, das Amt zu Streitberg als Oberamtmann in Aussicht gestellt? Schon am 15.1.1698 schreibt er von seiner neuen Stelle aus Streitberg und als bayreuthischer Rat und hat damit seine völlige Gleichstellung zu seinen wĂŒrttembergischen Ämtern erwirkt. Seine Karriere ist damit nicht beendet:

Sein Lehnsherr, Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth muss großes Vertrauen in ihn gehabt haben, denn 1701 wird er Oberhofmeister bei dessen Ehefrau Sophie von Sachsen-Weißenfels, „eine der schönsten Prinzessinnen des Reiches“[37]. Wie schillernd-verrĂŒckt manche barocken Persönlichkeiten ihren Zeitgenossen im GedĂ€chtnis geblieben sind, zeigt eine Bemerkung der berĂŒhmten Liselotte von der Pfalz, der SchwĂ€gerin des französischen Sonnenkönigs, die – fĂŒr ihre bissigen Kommentare bekannt – feststellt „VerrĂŒcktheit regiert wohl an diesem Hof (in Bayreuth)“[38].


Neben der berĂŒhmteren MarkgrĂ€fin von Bayreuth, Wilhelmine von Preußen (3.7.1709 – 14.10.1758), der Schwester Friedrichs des Großen, ist Sophie eine weitere einflussreiche Frauengestalt ihrer Epoche fĂŒr das barocke Bayreuth.

Sie heiratet mit 15 Jahren am 16. Oktober 1699 in Leipzig Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth (1678–1726), den sie beim Besuch der Leipziger Messe im selben Jahr kennengelernt hat. Die damit verbundene GrĂŒndung einer eigenen Hofhaltung nimmt Georg Wilhelm zum Anlass, das MarkgrĂ€fliche Schloss Erlangen (in dem sich heute die Verwaltung der UniversitĂ€t Erlangen-NĂŒrnberg befindet) erbauen zu lassen.

Sophia hat erheblichen Einfluss auf das kulturelle Leben in Bayreuth, welches als BlĂŒte des deutschen Singspiels bezeichnet wird[39]. Die Vorliebe fĂŒr deutsche Opern bringt Sophia aus Weißenfels mit, der einzigen Residenz, in der Werke ausschließlich in deutscher Sprache gegeben worden sind. Die MarkgrĂ€fin entfaltet eine ĂŒppige Hofhaltung mit zahlreichen Lustbarkeiten. Im Jahr 1705 wird in Sankt Georgen der Grundstein fĂŒr diesen neuen Bayreuther Stadtteil angelegt, sowie eine Kirche errichtet und – zu Ehren der MarkgrĂ€fin – „Sophienkirche“ genannt“. –

Auch ihr Oberhofmeister Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus kauft sich im neuen planmĂ€ĂŸig angelegten Ort ein (wie im Barock ĂŒblich – es ist das Haus Nr. 15 im Jahr 1706). Seine Erben verkaufen es fĂŒr 130 Gulden 1708 an den Grenadierhauptmann GĂŒnther, der im Dienst des Erbprinzen gestanden hat und die Soldaten der St. Georgener Kaserne befehligt.

Im Jahr 1705 wird ihm eine besondere Ehre zuteil: er wird als einer der Ersten zum Ordensritter des vom Erbprinzen Georg Wilhelm gestifteten „Ordens de la sincĂ©ritĂ©â€œ (spĂ€ter als Roter-Adler-Orden bezeichnet) ernannt, was danach auf etwa 300 Ernennungen anwĂ€chst. Da die Sophienkirche zum Zeitpunkt des Todes von Georg Christoph Ratiborsky noch nicht fertig gestellt ist, ist auch kein Wappen von ihm aufgehĂ€ngt worden[40].

Eine spĂ€te WĂŒrdigung Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus – dem Enkel der Elisabeth Lochner von Palitz – findet sich schließlich bei Johann Gottfried Klöppel, der in seinen Briefen ĂŒber die frĂ€nkischen FĂŒrstentĂŒmer Bayreuth und Ansbach, berichtet[41]:

„Unter den vorigen Oberamtleuten zeichnet sich ein gewisser Ratiborsky von Sechzebus aus, welcher vor ohngefehr etlichen und 60 Jahren das Schloss Streitberg noch bewohnte. Er ĂŒbertraf an Entschlossenheit und Tapferkeit alle seine Vorfahren und verteidigte die von den Grenznachbarn mit UngebĂŒhr angefochtene Gerechtsame seines Landesherrn bei jeder Gelegenheit mit solchem Eifer, dass sie nicht selten mit blutigen Köpfen zurĂŒckgewiesen wurden“.-

* * *

Ihre Vorfahren:

Sebastian Stockhorner von Starein
? – 1661/1662

oo 25.7.1622
Anna Maria Artstetter
? – 14.9.1646
(ihre Eltern: Christoph Artstetter und Anastasia)

Ihr einziger Sohn:

Johann Friedrich Stockhorner von Starein
23.8.1627 – 1669 (in Prag)

  • erbt 1661 GĂŒter zu Heinreichs und Jaudlingen in Niederösterreich, unweit der böhmischen Grenze zu Budweis
  • mit 18 Jahren im August 1645 zur Kavalierstour von Wien aus
  • ĂŒber Genf dann im MĂ€rz 1646 nach Frankreich, verweilt in Saumur und dann noch 6 Monate in Paris
  • MĂ€rz 1647 in Leyden, Niederlande, schließt Bekannt- und Freundschaften mit diversen Gelehrten wie Salmasius, Heinsius und Spanheim
  • August 1647 kehrt er ĂŒber Regensburg nach Wien zurĂŒck
  • findet seinen Vater in Trauer ĂŒber den Verlust seiner am 14.9.1646 verstorbenen Gattin vor

oo 26.1.1649 in Wien (â€žĂŒberaus glĂŒckliche Ehe“)
Anna Apollonia GrÀfin Geyer von Geyersberg und Osterburg
(Tochter von Christof Adam Graf Geyer von Geyersberg und Osterburg)

  • Ehe ist nach evangelischem Ritus in der St. Michaelskirche geschlossen worden;
    die einzige protestantische Kirche, die damals in Wien existiert
  • wohnen beim Schwiegervater „im schwedischen Haus“ am Kohlmarkt in Wien
  • nach dem Tod 1669 haben die Jesuiten im Auftrag des Kaisers im Sinn der Gegenreformation jeweils den Auftrag, vor allem jĂŒngere Söhne unter Vormundschaft zu bekommen, so dass die Kinder rekatholisiert aufwachsen
  • deshalb bringt ein treuer Diener des Johann Friedrich Stockhorner von Starein names Proyer die Söhne außer Landes, so dass offiziell die Mutter guten Gewissens sagen kann, „…sie wisse nicht, wo sie sich befĂ€nden!“
  • Proyer bringt die Kinder ĂŒber Ödenburg (heute Sopron in Ungarn) und Preßburg (heute Bratislava, Hauptstadt von Slowenien) nach Regensburg und schließlich Frankfurt am Main

.

Sie haben zusammen 4 Söhne und 5 Töchter (davon bekannt):

die Àlteste Tochter ist Anna Polyxena Stockhorner von Starein

  • Maria Regina Stockhorner von Starein
    oo Baron Ernst Siegfried Etter von Zwernbach und Grabeneck
    (als protestantische Exulanten geflĂŒchtet und aus altem Adel von Niederösterreich stammend,
    erwerben sie im FrĂ€nkischen bei Coburg das Rittergut Heldritt – heute Ortsteil der Stadt Bad Rodach)
  • Rosina Elisabeth Stockhorner von Starein oo Rittmeister von Stein
  • Dorothea Katharina Stockhorner von Starein
    1663 – 1699
    tritt vor ihrer Ehe in wĂŒrttembergische Dienste als Hofdame
    oo im Juni 1693 – den letzten Spross einer schwĂ€bischen Adelsfamilie: Johann Philipp von Sperberseck
  • Hans Ernst Stockhorner von Starein
    studiert an der protestantischen UniversitĂ€t der Reichsstadt NĂŒrnberg in Altdorf (verstirbt bald)
  • Christoph Sebastian Stockhorner von Starein
    1652 – 31.10.1724 (NĂŒrnberg)
  • nach Studium an der protestantischen UniversitĂ€t der Reichsstadt NĂŒrnberg in Altdorf
  • geht er in schwedische Dienste
  • gerĂ€t in brandenburgische Gefangenschaft
  • danach geht er nach Sachsen: wird Geheimer Rat und Kammerdirektor beim Herzog von Sachsen-Gotha-Meiningen-Salfeld in Coburg
  • oo 1. 1680 in Kursachsen
    Sabine von Milckau-Alberada (1648 – 1713 in Coburg)
    oo 2. ? von KĂŒnßberg

Sie haben 1 Tochter und 1 Sohn:

Karl Albrecht Stockhorner von Starein
28.8.1680 in Coburg – 11.6.?
oo 11.1.1721

  • Hofrat und Kammerjunker zu Meiningen
  • Universalerbe von Anna Polyxena Ratiborsky von Sechzebus bzw. von Gabo
  • (andere Geschwister erhalten nur ein Legat von 2.100 fl.):
    Seine o.g. Tante verzichtet am 10.3.1719 fĂŒr ihn auf die beiden GĂŒter in Niederösterreich (Heinreichs und Jaudlingen)
    (sie lebt offensichtlich im evangelischen Damenstift zu Wasungen, ins Leben gerufen von Bernhard Marschalk von Ostheim)

Quelle:
Familienarchiv der Freiherrn Stockhorner von Starein
Landesarchiv Baden-WĂŒrttemberg
Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe „69 von Stockhorn“

* * *

UNAUTORISIERTE WEITERGABE NICHT GESTATTET
Copyright: Stand 10/2023 – lochner-archiv@web.de

  1. Sechzebus = eingedeutscht fĂŒr tschechisch „Chcebuze“, das Dorf Zebus bei Steti nad Labem (= WegstĂ€dtl an der Elbe), Bezirk Leitmeritz, Nordtschechien ↑

  2. http://www.wikiwand.com/de/Vladike ↑

  3. aus: „Das Literatenbuch zu Luditz“ – Bohemia: oder UnterhaltungsblĂ€tter fĂŒr gebildete StĂ€nde, Ausgabe 1 ↑

  4. T. Karel – V. Knoll – L. Krčmáƙ: „PanskĂĄ sĂ­dla zĂĄpadnĂ­ch Čech – Karlovarsko“, ČeskĂ© Budějovice, 2009
    tschechisch: „Okolo roku 1450 ves ziskal Janek z Chczebuze, predek rodu Ratiborskych ze Chcebuze, kteri zede sidlili az do pocatku 17. Stoleti“.
    „..um das Jahr 1450 ĂŒbernahm Janek von Chczebuze, der VorlĂ€ufer der
    Familie Ratibor von Chebbuze, das Dorf und (sie) blieben dort bis Anfang des 17. Jahrhunderts“ ↑

  5. http://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/ratibor-goticka-tvrz – siehe Anhang: Literatur ↑

  6. Berthold Schmidt: „Burggraf Heinrich IV. zu Meißen, Oberstkanzler der Krone Böhmens und seine Regierung im Vogtlande“, Gera, 1888 ↑

  7. Ernst August BĂŒttner: „Der Krieg des Markgrafen Albrecht Alcibiades in Franken 1552–1555“, Dissertation an der UniversitĂ€t Göttingen, Göttingen, 1908
    ↑
  8. http://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/vladorice-tvrz – siehe Anhang: Literatur ↑

  9. http://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/ratibor-goticka-tvrz – siehe Anhang: Literatur ↑

  10. https://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/martice-maroditz – siehe Anhang: Literatur ↑

  11. www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/skoky – siehe Anhang: Literatur ↑

  12. https://otasek.pravnickyslovnik.cz/index.php/Ratiborsk%C3%BD_ze_Chcebuze – CZ: Titulek: RatiborskĂœ ze Chcebuze –
    Zdroj: “OttĆŻv slovnĂ­k naučnĂœâ€, JedenadvacĂĄtĂœ dĂ­l, Praha/Prag, J. Otto, 1904 ↑

  13. Ernst Heinrich Kneschke: „Neues allgemeines Deutsches Adelslexikon“, Band 3, Leipzig, 1861, S. 13 ↑

  14. StA BA Rep. A 233 Nr. 2658 – 2696 ↑

  15. Hochzeit 1690 verzeichnet bei Joachim Sauerbrey – Anna Polyxena ist um 1700 in 2. Ehe verheiratet mit Karl Ebrian von Gabo, OberjĂ€germeister in OlmĂŒtz/MĂ€hren (siehe Anhang) ↑

  16. Peter Borowitz / Ruth Bach-Damaskinos: „Schlösser und Burgen in Oberfranken“, NĂŒrnberg, 1996 ↑

  17. Eduard Margerie: „Die Herren von Wirsberg – UrkundenauszĂŒge von 1138–1719 (Teil 1)“, Wirsberg, 1957 und

    Eduard Margerie: „Die Herren von Wirsberg – UrkundenauszĂŒge von 1138–1719 (Teil 2)“, Wirsberg, 1960 ↑

  18. StA BA Rep. A 233 Nr. 2697, 2698 und 2701, 2706 ↑

  19. Franz Brumme: „Das Adelsgeschlecht von Erffa“, erschienen 1899 – Reprint-Auflage im Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza, 1994 ↑

  20. Ernst Heinrich Kneschke: „Neues allgemeines deutsches Adelslexikon“, Band 3, Verlag von Friedrich Voigt, Leipzig, 1861, S. 476–477
    ↑
  21. Karl MĂŒssel: „FrĂ€nkischer Heimatbote“, Monatsbeilage „Nordbayerischer Kurier“, 18. Jahrgang, 1985 ↑

  22. Sechzebus = eingedeutscht fĂŒr tschechisch „Chcebuze“, das Dorf Zebus bei Steti nad Labem (= WegstĂ€dtl an der Elbe), Bezirk Leitmeritz, Nordtschechien ↑

  23. https://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/martice-maroditz – siehe Anhang: Literatur ↑

  24. Stadtarchiv Hof, Bestand M, Nr. 73 „Aus der Geschichte der Ă€ltesten Lehenshöfe“ von Hans Hofer ↑

  25. Stadtarchiv Hof, Bestand M, Nr. 73 „Aus der Geschichte der Ă€ltesten Lehenshöfe“ von Hans Hofer ↑

  26. https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Gallas↑
  27. www.kirche-koeditz.de ↑

  28. Adelslexikon „Genealogisches Handbuch des Adels“ (GHdA), Band 134, 2004 ↑

  29. www.wikipedia.de ↑

  30. www.dorfgemeinschaft-nagel.de ↑

  31. www.geneanet.de – Stammbaum der KĂŒnßberg – betrieben von Reichsfreiherr Daniel von KĂŒnßberg-Wernstein ↑

  32. www.dorfgemeinschaft-nagel.de – mit freundlicher Genehmigung von Autor Rainer Vormbrock (aktuell EigentĂŒmer von Schloss Nagel) ↑

  33. www.dorfgemeinschaft-nagel.de – mit freundlicher Genehmigung von Autor Rainer Vormbrock (aktuell EigentĂŒmer von Schloss Nagel) ↑

  34. Karl MĂŒssel: „FrĂ€nkischer Heimatbote“, Monatsbeilage „Nordbayerischer Kurier“, 18. Jahrgang, 1985 ↑

  35. Staatsarchiv Bamberg, C13 Nr. 9405 ↑

  36. Landesarchiv Baden-WĂŒrttemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, GL 155 U 43 – Stetten im Remstal, Kammerschreibereiamt,
    2. Urkunden und Urkundenabschriften ↑

  37. meint der Bayreuther Geschichtsschreiber Johann Georg Heinritz im Beitrag fĂŒr das Archiv fĂŒr Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken, Heft 1, 1842 ↑

  38. Bernd Mayer: „Kleine Bayreuther Stadtgeschichte“, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 48 ↑

  39. Hans Joachim Bauer: „Barockoper in Bayreuth“, Verlag Laaber, Lilienthal bei Bremen, 1982, S. 5 ↑

  40. Karl MĂŒssel: „FrĂ€nkischer Heimatbote“, Monatsbeilage „Nordbayerischer Kurier“, 18. Jahrgang, 1985 ↑

  41. Johann Gottfried Klöppel: „Briefe ĂŒber die frĂ€nkischen FĂŒrstentĂŒmer Bayreuth und Ansbach“, Verlag Walther, Erlangen, 1794 ↑

Nach oben scrollen