02 HISTORIE Ratiborsky von Sechzebus

Ratiborsky von Sechzebus –
protestantische Exulanten aus Böhmen
1375 / 1450 – 1734




Es handelt sich um eine alte Familie von Vladyken; ihre ersten Sitze waren Zebus und Mělník (heute Ortsteile der Stadt Steti nad Labem / Wegstädtl an der Elbe, Kreis Leitmeritz – im Norden von Tschechien)[1].

Vladyken (tschechisch Vladyka) sind ein eigener Stand der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen tschechischen Gesellschaft. Ursprünglich bilden sie die relativ breite Schicht der freien, Waffen tragenden Landbesitzer. Vermutlich gibt es Vladyken schon in frühgeschichtlicher Zeit bei den in Böhmen und Mähren siedelnden westslawischen Stämmen, nicht jedoch unter der später zugewanderten deutschen Bevölkerung Böhmens.

Seit der Entstehung des böhmischen Königtums verloren die Vladyken an Bedeutung, denn es hat sich der eigentliche tschechische Adel aus Herren und Rittern herausgebildet. Ein Teil der Vladyken steigt in den Ritterstand auf, andere sind zu unfreien Bauern herabgesunken. Auch im Spätmittelalter bleiben die Vladyken aber persönlich frei, und sie können bäuerliche Untertanen haben. Bei der Besteuerung bilden sie eine eigene Gruppe. Anders als der eigentliche Adel der böhmischen Länder sind sie aber nicht zur Teilnahme an den Landtagen berechtigt. Erhebungen in den Vladykenstand kommen im 16. Jahrhundert noch vor.

Die tschechischen Vladyken sind mit den ebenfalls von der Masse der untertänigen Bevölkerung abgehobenen Lehnbauern oder Freibauern in anderen Territorien des Alten Reiches vergleichbar[2].

Die Erstnennung der Herren von Ratibor erfolgt am 4.6.1375 – Ritter Hanus (Hans) von Ratibor ist Zeuge als Karl IV. von Luxemburg, König von Böhmen, und späterer deutscher Kaiser, Luditz / Žlutice das Stadtrecht verleiht[3] (Ratibor/Ratiworz ist heute ein Ortsteil der Stadt Luditz/Zlutice im Kreis Karlsbad). Dabei handelt es sich ursprünglich um eine im Zeitraum der Gotik entstandene Burg um 1350 „…die auf einem Bergrücken, nahe eines Weihers, in der Mitte des Ritterguts Ratiworz, von den Ratibor erbaut worden ist“ (sichere Datierung ab 1403). 1389 ist Hans von Ratibor Burgmann auf Becov (Petschau im Karlsbader Kreis) und 1395 hat er Kozlov (Koßlau, heute Teil von Bochov, zu deutsch: Buchau bei Udrc/Udritsch) inne.

Als nächstes erscheint 1406 Henry (Heinrich) von Ratibor aus Ratiworz und 1437 Vitek (Veit) von Ratibor.

Laut einer Version findet unter Janek von Sechzebus eine Namensvereinigung der Ritter von Ratibor mit den Rittern von Sechzebus statt um 1450: „Ratiborsky von Sechzebus“[4]. Andererseits soll Janek von Sechzebus 1456 seinen Hof in Zebus verkauft, und stattdessen Ratibor erworben haben. Seine Nachkommen nennen sich seitdem „Ratiborsky von Sechzebus“[5].

Vermutlich sein Sohn, Jan (Johann) Ratiborsky von Ratibor, der 1492 als Gläubiger von Jindřich ze Plavna (Heinrich von Plauen) auftritt, verkauft Kozlov und erwirbt dafür 1569 Vladořice (deutsch: Wladarz eine kleine Siedlung, Teil der Stadt Luditz/Žlutice im Bezirk Karlsbad und ist etwa 4 km entfernt). 1537 hat Jan von Vřesovice bereits Vladořice/Wladarz – die Festung und das Dorf – an Jindřich IV. ze Plavna (Heinrich IV. von Plauen aus dem Haus der Vögte von Plauen) verkauft:

Heinrich IV. von Plauen stammt aus der älteren Linie des Hauses Plauen (geboren 1510, wahrscheinlich am 24. August, gestorben am 19.5.1554 in Stadtsteinach bei der Belagerung der Plassenburg) ist Oberstkanzler des Königreichs Böhmen seit 22. Januar 1542 – ernannt durch König Ferdinand I. von Böhmen (Haus Habsburg – siehe: 03 LVL HISTORIE), Burggraf von Meißen, Herr zu Plauen, Gera, Greiz, Schleiz und Lobenstein, Herr zu Theusing, Neuhartenstein, Engelsburg und Luditz gewesen. Mit Urkunde Kaiser Karls V. vom 24. Mai 1548 erfolgt auf dem Reichstag zu Augsburg die Ernennung Heinrichs IV. „als des Reiches gefürsteter Burggraf zu Meißen“.

Obwohl zeitlebens Katholik, wehrt er alle Rekatholisierungsversuche seiner vogtländischen Herrschaften von außen ab, fördert die evangelische Kirche und erlässt 1552 eine burggräfliche Kirchenordnung, entworfen vom evangelischen Plauener Superintendenten[6].

Ein Zusammenschluss deutscher Fürsten, das sogenannte „bundesständische Heer“ unter Moritz von Sachsen (dieser steht in Briefwechsel mit Hans III. Ungnad von Weissenwolff!) als Oberbefehlshaber, an dem sich auch der Bruder von Kaiser Karl V. – König Ferdinand I.– beteiligt, bekämpft Markgraf Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, der Franken unter seine Herrschaft vereinen will – und das Gegenteil erreicht (u.a. geht im 2. Markgräflerkrieg in der Fränkischen Schweiz die Burg Neideck zugrunde!). Moritz von Sachsen verstirbt nach der Schlacht an den Folgen seiner Verletzungen. Albrechts Heimatlande in Franken werden verheert, Bayreuth, Hof, Neustadt an der Aisch und Kulmbach gehen noch 1553 in Flammen auf. Die Plassenburg, Residenz und Landesfestung der fränkischen Hohenzollern, wird bis Juni 1554 belagert und nach der Übergabe zerstört[7].-



Die Söhne von Jan (Johann) Ratiborsky von Ratibor sind die 1572 genannten Brüder Jiřík (Georg), Adam und Hynek – zunächst halten sie Vladořice, dann verkaufen die beiden Letzeren das Gut schließlich an Sabina Ratiborská (geborene Pergler von Perglas). Sie wiederum gibt das Gut Vladořice 1578 weiter an Kunrát Kaplíř von Sulevice, einem Verwandten von Kašpar Kaplíř von Sulovice (siehe: 03 LVP HISTORIE)[8].

In den Jahren 1515 – 1533 erscheint Jans Bruder Jiří (Georg) Ratiborsky ze Chcebuze ebenfalls in den Aufzeichnungen der Herren von Plavna (Vögte von Plauen), worin verzeichnet ist, dass er 1524 auf Ratibor residiert. Nach seinem Tod übernimmt sein Sohn, Mikuláš (Nikolaus) Ratiborsky 1567 dessen Besitz. Anscheinend um die Wende des 15. auf das 16. Jahrhundert hat die ursprünglich gotische Burg die Bedürfnisse seiner Besitzer nicht mehr befriedigt, und so errichten die Ratiborsky ze Chcebuze ein neues Renaissanceschloss; von der ursprünglichen Burg ist heute nur noch im südöstlichen Teil des Geländes ein Gewölbekeller zu sehen[9].

Nach Mikuláš (Nikolaus) folgt 1577 sein Sohn Jan (Johann), der 1584 einen Teil von Vahaneč (das heute Teil von Werscheditz/Luditz – Verušičky-Žlutice ist) und 1592 Martice (deutsch: Maroditz im Karlsbader Kreis) erwirbt. 1578 geht er die Ehe ein mit Margaretha Freimuth von Tropschütz, ist 1606 verschieden, und hinterlässt die Söhne Mikuláš (Nikolaus), Jan Jáchym (Johann Joachim) und Jiří Volf (Georg Wolf). Die erste schriftliche Erwähnung von Burg und Dorf Martice (Maroditz) stammt aus dem Jahr 1383. Als Jan Ratiborsky von Sechzebus das Gut von dem Geschlecht derer von Steinsdorf erwirbt und es mit seinem Besitz in Ratiworz verbindet[10].

Das Geschlecht spaltet sich in zwei Linien auf:

eine tschechische (böhmische) und eine fränkische Linie
Linie 1 – katholisch – in Tschechien/Böhmen:


Jan Jáchym (Johann Joachim) Ratiborsky von Sechzebus hat zum größten Teil Ratiworz bekommen, verkauft 1617 offensichtich diesen Anteil, um sich 1630 das Gut Děpoltovice (Tüppelsgrün – Bezirk Karlsbad / Karlovy Vary) leisten zu können. Tüppelsgrün geht von Stephan Graf Schlick 1594 an Joachim von Jahn auf Ottowitz und 1602 an Anna Maria Gräfin Schlick, geb. von Schwamberg. 1630 verkauft es deren Schwester Salomena an Johann Joachim und seinen Sohn Wolf Friedrich, der es noch 1637 bewirtschaftet hat.

Im Jahre 1605 veräußert der damalige Besitzer des Anwesens Údrč (Udritsch), Fabian Sebastian Pröllhofer von Purkersdorf (siehe: 03 LVP HISTORIE), die Havelmühle an den Ritter Johann Joachim Ratiborsky von Sechzebus. Diese wird vermutlich im 16. Jahrhundert am linken Ufer des Schnellabaches im Tal entlang der ehemaligen Verusitzer Straße und dann Richtung Luditz, etwa einen Kilometer südöstlich des heute völlig verschwundenen Dorfes Mariastock (Skoky), erbaut[11].

Johann Joachim stirbt vor 1640 und hinterlässt noch die Söhne Christoph Abraham, verheiratet mit Dorothea Sofia Pröllhofer von Purkersdorf (und findet Erwähnung in der Urkunde Nr. 98 im Repertorium 311 der Lochner von Hüttenbach, heute im Staatsarchiv Nürnberg), Adam Ernst und Wilhelm Gotthard. Letzterer erhält von seiner Mutter, Anna von Rabic, den Bauernhof Lhotka in der Nähe von Tachov (Tachau im Pilsener Kreis), er ist 1679 verschieden. Offensichtlich seine Frau Floriane Kordula Tucher aus Šoberov hat den Hof bis 1690 in Besitz gehabt[12].

Linie 2 – protestantisch – in Franken/Markgrafentum Bayreuth:


Mikuláš (Nikolaus) Ratiborsky von Sechzebus bekommt aus dem Nachlass seines Vaters den Anteil an Ratiworz, den er 1615 verkauft, und vermählt sich bereits am 13. Januar 1605 mit der 17jährigen Elisabeth Lochner von Palitz, um dann 1628 den protestantischen Glauben anzunehmen. Mit seiner Familie emigriert er in die alte Heimat der Vorfahren seiner Gattin, ins Markgrafentum Bayreuth (heute Oberfranken) und in der Nähe von Hof erstehen sie 1628 Unterkotzau, wo er 1631 verstirbt. Sie haben zusammen 11 Kinder, darunter drei erwachsene Söhne.

Der Älteste namens Georg Adam (1607 – 7.10.1672) nimmt sich seine Frau 1643 aus dem Geschlecht der von Ebra namens Anna Maria (1600 – 24.3.1679) und erhält Unterkotzau.

Die Familie von Ebra stammt aus Thalebra im heutigen Nordthüringen und dem früheren Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. Im 14. und 15. Jahrhundert sind Vertreter der Familie im Rat der Stadt Heiligenstadt vertreten (Heilbad Heiligenstadt ist eine Kreisstadt im Landkreis Eichsfeld in Thüringen und ein anerkanntes Sole-Heilbad). 1818 stirbt die Familie im Mannesstamm aus. Nach dem Absterben der alten Familie von Ebra im Mannesstamm erhält der königlich-preußische Premierleutnant des 7. Kürassierregiments, Heinrich Wilhelm Pfaff († 13. Januar 1854), Schwieger- und Adoptivsohn des Ludwig Wilhelm August von Ebra (†28. Juni 1818), 1822 im Zuge seiner Nobilitierung die Erlaubnis Namen und Wappen der Familie weiterzuführen[13].-

Der zweite Bruder Christian Friedrich (1628 – 10.11.1697) ist zunächst ebenfalls auf Unterkotzau, hat später Besitz in Billmuthhausen, Thüringen, im Amt Heldburg, zusammen mit Wolf Christoph Händel von Ramingsdorf (Amt Heldburg: Besteuerung des Rittergutes Billmuthhausen – Archivsignatur: 883, Inventarunterschrift: 4-11-2300, von 1650 – 1688) und ist (wie später sein Sohn) markgräflicher Oberamtmann von Streitberg (ab 11.8.1658 – 1696/1697)[14]. Er ist Magistrat und Kammerdiener des Kurfürsten von Sachsen am Hof in Dresden. Bei seiner ersten Ehefrau frönt seine Frau Mutter ihrem Lieblingshobby ihre Kinder bestmöglich zu verheiraten, möglichst in der Verwandtschaft: mit Eva Susanna Steger von Ladendorf (~1630 – 1672), Exulanten aus oberösterreichischem Uradel, heiratet er die Tochter der Cousine seiner Mutter (Hoffmann von Münchshof aus Böhmen). Seine zweite Gattin nimmt er sich 1690[15] aus einer protestantischen Exulantenfamilie, die aus Niederösterreich stammt: Anna Polyxena Stockhorner von Starein (2.2.1650 – 1720).

Mit seiner ersten Ehefrau hat er den Sohn Christian Albrecht (1655 – 28.04.1723), der 1712 auf Unterkotzau wohnt, und seine Frau Isabella Dorothea von Wirsberg (~Ostern 1653 – 31.03.1699), aus einem der ältesten Adelsgeschlechter Frankens heimführt.

Gemeinsam mit den Förtsch von Thurnau und den Herren von Wallenrode lassen sich die Herren von Wirsberg auf einen 1149 im „Giechburgvertrag“ genannten „Eberhard de Briswize“ (Oberpreuschwitz, heute Ortsteil von Bayreuth) zurückführen (siehe: 02 HISTORIE Stübig/Neidecker). Als Stammsitz der Ritter von Wirsberg gilt die Burg Lanzendorf (bei Himmelkron im Landkreis Kulmbach)[16]. 1303 erhält Heinrich von Wirsberg vom Würzburger Bischof das Patronat über die Lanzendorfer Kirche zu Lehen. Nach einem Lehensverzeichnis der Grafen von Henneberg aus dem Jahr 1317 haben die Wirsberger zahlreiche Zehnten, darunter in Lanzendorf, Marktschorgast, Grafendobrach, Goldkronach und Gesees in Oberfranken zu Lehen, die aus dem Erbe der Andechs-Meranier an dieses Geschlecht gelangt sind. Lanzendorf bleibt bis zum Aussterben der Familie mit dem Tod des Philipp Christian von Wirsberg im Jahr 1687 im Besitz der adeligen Familie[17].-

Als nächstes folgt dessen Bruder Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus (1652 – 12.02.1709), der den Besitz in Regnitzlosau hält und 1688 – 1690 Stall- und Hofmeister am Hof des Herzogs von Württemberg in Stuttgart wird, wo er sich mit Veronika von Wangenheim vermählt; zurück in der Heimat erreicht er 1701 den Titel eines Oberhofmeisters beim Markgrafen in Bayreuth und ist dessen vorletzter Oberamtmann in Streitberg „auf dem Gebirg“[18] (siehe unten).

Sie haben auch eine Schwester, Christiane Marie Elisabeth (? – 29.4.1695), die die Ehe eingeht mit Hans Wilhelm von Erffa[19] ein (28.3.1647 – ?). Ihre beiden Töchter heißen Christiane Charlotte, über die nichts weiter bekannt ist, und Christiane Sophie von Erffa. Sie heiratet einen jungen Mann aus der Familie der Hofer von Lobenstein.

Die Familie der Freiherren von Erffa entstammt dem thüringischen Uradel und ist vermutlich edelfreien Ursprungs. Später gehört das Geschlecht der Fränkischen Reichsritterschaft der Kantone Odenwald und Rhön-Werra an. Das Geschlecht erscheint erstmals urkundlich im Jahre 1170 mit Hartungus de Erfaha. Gut ein halbes Jahrhundert später begleitet wiederum ein Hartung v. Erffa Landgraf Ludwig (den Heiligen) von Thüringen auf dem Fünften Kreuzzug. Nach dessen Tod bringt er seine Gebeine von Otranto zurück nach Thüringen, wo er zunächst auch als Vormund der Witwe Ludwigs, der Heiligen Elisabeth, agiert hat. Ursprünglich edelfrei, werden die Herren von Erffa nach dem Ende des thüringisch-hessischen Erbfolgekriegs im 13. Jahrhundert Gefolgsleute der Herrscher von Sachsen (Haus Wettin). Im Laufe der Jahrhunderte bekleiden Angehörige der Familie vielerlei hohe Positionen als Räte oder Minister, insbesondere im Sächsisch-Thüringischen sowie im Fränkischen. Das Geschlecht besteht bis heute.-

Der dritte Sohn von Elisabeth Lochner von Palitz, verheiratete Ratiborsky von Sechzebus, ist schließlich Johann Wolf Ratiborsky von Sechzebus (1623 – 1673) der Regnitzlosau inne hat, und das Glück, dass sich seine Frau Mama bei ihrem Vetter Rochus Lochner von Hüttenbach durchsetzt und so kann er dessen einzige Tochter Maria Sabina Susanna (1630 – 16.06.1699) am 15. Juni 1651 zum Traualtar führen. Das Konnubium unter der lochnerischen Verwandtschaft setzt sich fort. Es werden ihnen mehrere Töchter geboren, sowie der Sohn Johann Friedrich 1669 (siehe: 03 LVH HISTORIE).

Christian Albrecht führt die Linie in Franken fort und sein Sohn Christian Wilhelm (1686 – 1711) ist der Letzte männliche Vertreter seines Geschlechts; zuvor, im Jahr 1698, ernennt ihn der Kurfürst von Sachsen zum Gouverneur von Hof. Seine Tochter Eva Christiana Eleonora erbt nach ihm das Gut Unterkotzau und heiratet Sylvius Gottlieb von Gellhorn (1683 – 1734). Sie versterben kinderlos.

Gellhorn ist der Name eines weitverzweigten schlesischen Uradelsgeschlechtes. Ein Zweig erhält 1656 den böhmischen Freiherren- und Grafenstand. Möglicherweise ist das Geschlecht sächsischen oder thüringischen Ursprungs und soll 1241 in das Herzogtum Schlesien gezogen sein[20]. Die Familie blüht bis heute.-

Nun ein historisch interessanter Rückblick auf das Geschlecht der Ratiborsky von Sechzebus in Franken:

In den Werken über die Mitglieder dieser Familie kommen sie in den unterschiedlichsten – und vor allem unmöglich geschriebensten – Schreibweisen vor. Und die Autoren rätseln dann als nächstes, woher denn dieser seltsame Name kommen könnte. Kneschkes Adelslexikon von 1865 hilft erneut weiter und verrät dem Interessierten, dass es sich um eine böhmische Exulantenfamilien handelt, die wegen des 30jährigen Krieges als Protestanten fliehen mussten. Allerdings wandern die meisten Exulanten nach Sachsen aus, seltener ins relativ kleine Markgrafentum Bayreuth, sinniert der Autor des Artikels des Fränkischen Heimatboten von 1985[21]

Als der Ehemann von Elisabeth Lochner von Palitz, Nikolaus Wolf Ratiborsky von Sechzebus[22], und sie zu einem baldigen Ergebnis kommen müssen, nach dem zitierten Rekatholisierungspatent des Kaisers von 1627, ist ihr Mann von Elisabeths Argument doch in die alte Heimat ihrer Vorfahren zurück zu kehren nicht abgeneigt. Hermann II. Lochner von Drossenfeld, Elisabeth Lochners direkter Vorfahre war ja Burgmann auf der Plassenburg um 1400. Als hätte der Junker Ratiborsky es geahnt, verkauft er rechtzeitig – vor der Schlacht am Weißen Berg 1620 – seinen Besitz zu Ratiworz und Maroditz – und zwar letzteres Gut 1615 an Jáchym (Joachim) Libšteinský von Kolovrat[23].

Die Großnichte seiner Frau Elisabeth Lochner von Palitz, nämlich Anna Barbara, und Enkelin deren Bruders Wolf Christoph Lochner von Palitz, heiratet in diesen böhmischen Hochadel ein – sie ist die letzte Lochnerin ihrer Linie in Böhmen (siehe: 02B LVP DATEN – dort befindet sich der Stammbaum-Auszug der Grafen Kolowrat-Liebsteinsky und Lochner von Palitz).

Nikolaus und Elisabeth entschließen sich das alte Wasserschloss und Burggut Unterkotzau bei Hof zu kaufen, was das vorher Reitzenstein‘sche Gut zu Köditz und Höfe zu Eppenreuth beinhaltet[24]. und emigrieren 1628 dorthin… keine drei Jahre später verstirbt der „Nobilis Bohemus“ am 17. Oktober 1631.

Jetzt steht die Lochnerin, verwitwete Ratiborsky, mit 6 halbwüchsigen Kindern alleine da. Bis zu diesem Zeitpunkt um 1632 bleibt das kleine Markgrafentum von den Schrecken des 30jährigen Krieges verschont. Das sollte sich nun ändern – es gestattet Einblicke in die alltäglichen Greuel dieser schrecklichen Zeit[25]:

1633 nehmen 200 kaiserliche Dragoner das Wasserschloss in Unterkotzau ein, wo sich gerade eine gesellige Runde aus Adeligen der Umgebung trifft. Diese Soldateska plündert und mordet in der ganzen Gegend und nimmt die Herren gefangen, um sie nach Kronach in ihr Hauptquartier abzutransportieren und viel Lösegeld zu erpressen. Es handelt sich um den Hausherrn Ratiborsky selbst, dann Christoph von Reitzenstein, ein Herr von Waldenfels und ein Herr von Watzdorf. Wieviel Lösegeld erzielt wird und wie und wann sie wieder nach Hause kommen, ist leider nicht aufgezeichnet. Weiteres Ungemach bricht über Unterkotzau herein: 1635 und 1636 treiben Piccolominische Kompanien wiederholt das Vieh weg und peinigen die Bevölkerung „bis aufs Blut“. Geschockt dürfte Elisabeth dann von einem weiteren Schicksalsschlag gewesen sein: eine ihrer drei Töchter geht am 9. Juni 1636 freiwillig mit diesen katholischen Truppen und bleibt verschollen – vielleicht verliebt sich das junge Mädchen in einen dieser Soldaten, vielleicht schwanger, sieht sie keinen Ausweg als ihm zu folgen.

Auf Unterkotzau folgen immer neue Einquartierungen von fremden Soldaten – 1637 liegt die Leibkompanie des Generals Gallas (dieser kaiserliche General ist mit seinen Truppen auf dem Weg Richtung Ostsee, um gegen die Schweden zu kämpfen) mit 300 Pferden dort[26]. Von je 100 Taler Vermögen wird je ½ Taler „Umlage“ gefordert. Dann passiert das nächste Unglück: 1638 führt eine kaiserliche Streife Elisabeths ältesten Sohn Georg Adam Ratiborsky von Sechzebus als Geisel mit sich. Als er endlich heimkehren darf, findet er seinen Besitz völlig ausgeplündert vor – selbst die Lehensbriefe sind verschwunden und müssen in Bayreuth beim Markgrafen neu beantragt werden (verarmt sind die Ratiborsky von Sechzebus dadurch nicht; seine spätere Ehefrau Anna Maria, eine geborene von Ebra, stiftet als Witwe 1680 den vier Hofer Kirchen 210 Gulden – überhaupt zeigen sich die Ratiborsky von Sechzebus großzügig und spenden der Kirche in Köditz einen kleinen Abendmahlskelch mit ihrem Wappen, dann 1697 das Abendmahlsgerät für diese Kirche aus reinem Silber vergoldet und ab 1713 bis 1723 – bis sie aussterben – noch zusätzlich die Altarkerzen jährlich. 1724 bis 1734 übernehmen die von Gellhorn, und damit die letzte Ratiborsky von Sechzebus, Eva Christiana Eleonora, die Sylvius Gottlieb von Gellhorn geheiratet hat, den jährlichen Betrag für die Kerzen, und sie vermacht 1726 dieser Kirche die Altarbekleidung und Blumenkrüge aus Zinn[27]. –

Der Horror des 30jährigen Krieg geht weiter: 1640 fallen mehrere Höfe einem verheerenden Feuer zum Opfer und ein 60 Mann starkes Kommando von Kroaten macht die Gegend unsicher. Wenige Tage später taucht noch ein Streifkorps der Schweden mit 150 Pferden auf. In einem Schadensbericht der Ratiborsky von Sechzebus von 1641 an den Markgrafen erklären sie alleine in ihrer Herrschaft fünf Höfe als völlig zerstört. 1642, also sechs Jahre bevor der Alptraum nach 30 Jahren endlich ein Ende haben sollte, lagern letztmalig kaiserliche Truppen in Unterkotzau. Von dort inspizieren sie die Tore der Stadt Hof und beobachten eine schwedische Besatzung, die in der Hofer Burg liegt.

10 ruhige Jahre sollten Elisabeth noch verbleiben bis zu ihrem Tod 1658 im hohen Alter von 70 Jahren, in denen sie sicher ihre Enkel aufwachsen sieht und sie ihrer Lieblingsbeschäftigung – dem Hochzeitsplanen – weiter frönen kann, ihre Kinder mit den oberfränkischen Adelsgeschlechtern bestmöglich zu verbandeln. Sie hat ihre beiden verbleibenden Töchter zu guten Hausfrauen erzogen und da selten ein Ausflug in die Lebenswelt einer adeligen Tochter möglich ist, sei hier davon erzählt: Tochter Anna Sabina vermählt sich am 12. November 1643 in Hof mit Wolf Christoph Trützschler von Falkenstein, einem vogtländisch-meißnischen Uradelsgeschlecht mit der Erstnennung von 1122. Die beiden Hauptlinien der Familie sitzen auf Falkenstein im Vogtland und Oberlauterbach. Dieser Familie steht die niedere und sogar die hohe Gerichtsbarkeit innerhalb ihrer Herrschaft zu, und sie wird am 5. Januar 1900 in den königlich sächsischen Freiherrenstand[28] als „von Trützscheler Freiherr zum Falkenstein“ erhoben[29].



Die zweite Tochter Dorothea Ratiborsky von Sechzebus heiratet am 9. November 1646 in Hof in ein nicht minder bedeutsames Adelsgeschlecht, und mit ihrer jungen Familie erfährt man hier etwas vom Neufang nach dem langen Krieg und, dass sie eine gute Erziehung genossen hat und fleißig zupackt. Reichsfreiherr Johann Heinrich III. von Künßberg[30] auf Nagel und Oberlangenstadt ist ihr Auserwählter[31]; er kämpft nicht nur während des 30jährigen Krieges, sondern auch in den Türkenkriegen (1661 – 1683) und in späteren kriegerischen Auseinandersetzungen der Bayreuther mit Frankreich. Er lebt mit seiner Familie als Erster auf dem Schloss in Nagel und richtet dort das bis heute bestehende Archiv ein. Sie leben friedlich in dem von den von Redwitz erstandenen Bau genannt „Neue Kemenate“, die damals mit einem Wassergraben umgeben ist, was einen guten Schutz gegen das Raubgesindel bietet. Hans Heinrich bestellt sein Gut alleine und Dorothea näht die benötigten Kleidungsstücke höchst selbst. Er richtet ihr ein kleines Lustgärtchen mit Fliederlauben neben ihrem Haus ein – ganz idyllisch! Doch selbst der junge Künßberg hat Mühe seine Familie durchzubringen. Es fehlen überall Menschen, das Vieh ist knapp und um Äcker zu bestellen, müssen sich die Menschen selbst vor den Pflug spannen[32].


Hans Heinrich schenkt dickes Bier in der Dorfschänke aus und holt Nahrung für die Seinen aus den Weihern, der Schäferei und der Jagd. Zum Gut gehört ein Obstgarten, 20 Acker Gehölz auf dem Nagler Berg und vieles mehr. Zudem müssen 11 Bauern Frondienste leisten und zwar jährlich von „Walburgi bis Michaeli“ (also von Anfang Mai bis Ende September) bekommen sie 12 Pfennige dafür, allerdings bei Selbstverpflegung. Als dann eine Künßberg-Linie ausstirbt, erbt er weiteren Besitz und seine allodialen Güter zu Nagel avancieren zum Brandenburgischen Rittermannlehen 1684. Schließlich erwirbt er die sogenannte „Alte Kemenate“ auf Nagel, die er die ganzen Jahre vorher schon von den von Redwitz gepachtet hat.

1673 wird Hans Heinrich als „Gewählter Ritterrat auf dem Gebürg“ zusammen mit Johann Heinrich von Guttenberg beauftragt, dem kaiserlichen Reichsheer nach Eger entgegenzureiten und dasselbe durch das ritterschaftliche Gebiet zu geleiten. Das kaiserliche Heer ist damals zur Sammelstelle Nürnberg gezogen, von wo aus der Obrist und Führer dieses Kontingents, Markgraf Christian Ernst, 100 Reiter und 600 Mannschaften gegen Frankreich führen sollte. Hans Heinrichs neun Kinder haben Dorfschulbildung genossen; es ist wenig Geld vorhanden für eine höhere Ausbildung. Die Söhne wachsen ziemlich wild heran und lernen hauptsächlich Jagd und Fischfang. Schon damals wird in ihnen die Vorliebe zu den Waffen geweckt. Man berichtet ihnen über die tapferen Taten ihrer Vorfahren im Dreißigjährigen Krieg! So eilen die vier Söhne auch bald zu den Waffen. Georg Wilhelm und Christoph Adam dienen bei den Kaiserlichen, Wolf Ernst beim Würzburgischen Fürstbischof und Hans Christoph beim Markgrafen zu Bayreuth. Alle vier nehmen an der Befreiung Wiens von den Türken teil unter ihrem Führer, dem Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth. Dieser bringt die Fahne und den Roßschweif des Großwesirs mit nach Hause. Die Künßbergs dagegen bringen aus dem Kriege zwei Türken als Diener mit, die noch lange in Nagel und Oberlangenstadt leben und als Pferdepfleger und Gärtner (siehe unten) beschäftigt sind[33].

Als Hans Heinrich von Künßberg 1691 stirbt, Dorothea hatte ihn schon 1672 als Witwer hinterlassen, wird er in der Kirche in Schmölz, wo er ein Kirchenpatronat hat, aufgebahrt. Erfolgreich hat er seinen Besitz stark vergrößert und abrunden können.

1698 übernimmt nach dem Tod des Vaters der Sohn Hans Christoph von Künßberg als Erbe das Schloss Nagel. Der Gute verliebt sich ganz unstandesgemäss in ein Bauernmädchen – die Daßlerin aus Merzbach – und, nicht anders als 200 Jahre zuvor (siehe: Lochner von Ebermannstadt im Amt Neideck), kommt dies einem Skandal gleich: er steht zu seiner großen Liebe, ehelicht sie auch noch, und er erkennt den kleinen Jungen namens Philipp Heinrich, den sie ihm schenkt, als seinen legitimen Nachfolger an! Die adelige Künßbergische Verwandtschaft ist außer sich und am Toben: sie verweigern dem Sohn jegliche Anerkennung, überziehen ihn mit Häme und Prozessen und versiegeln sogar den Zugang zum Gestühl der Kirchen, über das die Künßberg Patronatsrechte haben.

Als er 1721 kränkelt, geht sogleich das Gerücht um, er wäre verstorben. Und tatsächlich rücken Soldaten aus nach Nagel, denn einer seiner raffgierigen Verwandten ist Kommandant der Veste Rosenberg, und mit viel Lärm als Ausdruck der grenzenlosen Freude, dass der Schlossherr tot sei, treffen sie dort ein: aber…welch Wunder: Hans von Künßberg schaut aus dem Turmfenster und beschimpft die Bande als „Erbschleicher“. Allerdings stirbt er tatsächlich kurz nach diesem unfreulichen Ereignis im März 1721 im Alter von 60 Jahren.

Sein Sohn muss als Alleinerbe bis zu seinem eigenen Ende Prozesse führen, was ihm als kurfürstlich-sächsischem Hauptmann durchaus möglich ist. 1714 heiratet er eine Generalstochter, Gräfin Johanna Amalie von Schulenberg, und sie haben zusammen sechs Kinder, doch – wie so oft damals – überlebt kein einziges und als 1743 Philipp Heinrich stirbt, erbt die gierige Verwandtschaft.

Nach diesem kleinen Abstecher in den Alltag eines heute noch munteren Adelgeschlechts in Franken nach dem 30jährigen Krieg, sei nun abschließend der Neffe der beiden Ratiborsky-Damen – Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus – erwähnt, einer der letzten Oberamtmänner des Markgrafen von Brandenburg-Bayreuth in Streitberg.

Der Enkel der bereits allseits bekannten Elisabeth Lochner von Palitz ist ein außergewöhnlicher Mann, geboren um 1652 in der neuen Heimat der Familie im Wasserschloss Unterkotzau bei Hof, nämlich seinen Eltern Christian Friedrich Ratiborsky von Sechzebus und Eva Susanna Steger von Ladendorf, die Tochter der Cousine seiner Mutter namens Susanna Barbara, geb. Hoffmann von Münchshof, Exulanten aus Böhmen (siehe oben und Anhang). In einem ausgiebigen Artikel[34] im „Fränkischen Heimatboten“ von 1985 widmet ihm der Autor Karl Müssel ein interessantes Porträt, da er sich, in nie da gewesener Weise, für die Belange seines Markgrafen einsetzt…

Bald nach Georg Christophs Geburt um 1652 wird sein Vater Christian Friedrich Stallmeister beim Markgrafen in Bayreuth. Dort wächst der Knabe heran, um dann am Gymnasium in Hof seinen Abschluss zu machen, denn in alten Matrikeln findet sich ein „G.Chr.“, der 1673 die Schule verlässt. Er wird als Kornett bezeichnet, was eine miltiärische Ausbildung zum Offizier voraussetzt, und in den 1670er Jahren unternimmt er Reisen, denn dass dafür Gelder vorgesehen sind, wird im Nachlass seiner Mutter entsprechend vermerkt. In den 1680er Jahren übergibt sein Vater das Rittergut Unterkotzau an seine drei Söhne[35] (Anm.d.Verf.: es sind nur zwei Söhne bekannt) – als der Älteste erhält er Unterkotzau. Doch es zieht ihn hinaus in die Welt; er tritt in württembergische Dienste und wird zunächst 1688 Stallmeister in Stuttgart, und 1690 Hofmeister[36]. Etwa um diese Zeit vermählt er sich mit Veronika von Wangenheim, denn die Tochter Sophia Charlotte Eleonora Ratiborsky von Sechzebus wird 1688 geboren. 1690 schreibt er aus Stuttgart und den Feldlagern in Sinzheim und Bruchsal; er ist also Teilnehmer an den Kämpfen des Pfälzischen Erbfolgekrieges. 1692 wird er als Obervogt nach Heidenheim an der Brenz berufen, erhält den Titel eines herzoglichen Rates 1697 und scheidet überraschend aus württembergischen Diensten aus. Hat der Markgraf ihm, nach dem Tod des Vaters, der ein Jahr zuvor verstorben ist, das Amt zu Streitberg als Oberamtmann in Aussicht gestellt? Schon am 15.1.1698 schreibt er von seiner neuen Stelle aus Streitberg und als bayreuthischer Rat und hat damit seine völlige Gleichstellung zu seinen württembergischen Ämtern erwirkt. Seine Karriere ist damit nicht beendet:

Sein Lehnsherr, Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth muss großes Vertrauen in ihn gehabt haben, denn 1701 wird er Oberhofmeister bei dessen Ehefrau Sophie von Sachsen-Weißenfels, „eine der schönsten Prinzessinnen des Reiches“[37]. Wie schillernd-verrückt manche barocken Persönlichkeiten ihren Zeitgenossen im Gedächtnis geblieben sind, zeigt eine Bemerkung der berühmten Liselotte von der Pfalz, der Schwägerin des französischen Sonnenkönigs, die – für ihre bissigen Kommentare bekannt – feststellt „Verrücktheit regiert wohl an diesem Hof (in Bayreuth)“[38].


Neben der berühmteren Markgräfin von Bayreuth, Wilhelmine von Preußen (3.7.1709 – 14.10.1758), der Schwester Friedrichs des Großen, ist Sophie eine weitere einflussreiche Frauengestalt ihrer Epoche für das barocke Bayreuth.

Sie heiratet mit 15 Jahren am 16. Oktober 1699 in Leipzig Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth (1678–1726), den sie beim Besuch der Leipziger Messe im selben Jahr kennengelernt hat. Die damit verbundene Gründung einer eigenen Hofhaltung nimmt Georg Wilhelm zum Anlass, das Markgräfliche Schloss Erlangen (in dem sich heute die Verwaltung der Universität Erlangen-Nürnberg befindet) erbauen zu lassen.

Sophia hat erheblichen Einfluss auf das kulturelle Leben in Bayreuth, welches als Blüte des deutschen Singspiels bezeichnet wird[39]. Die Vorliebe für deutsche Opern bringt Sophia aus Weißenfels mit, der einzigen Residenz, in der Werke ausschließlich in deutscher Sprache gegeben worden sind. Die Markgräfin entfaltet eine üppige Hofhaltung mit zahlreichen Lustbarkeiten. Im Jahr 1705 wird in Sankt Georgen der Grundstein für diesen neuen Bayreuther Stadtteil angelegt, sowie eine Kirche errichtet und – zu Ehren der Markgräfin – „Sophienkirche“ genannt“. –

Auch ihr Oberhofmeister Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus kauft sich im neuen planmäßig angelegten Ort ein (wie im Barock üblich – es ist das Haus Nr. 15 im Jahr 1706). Seine Erben verkaufen es für 130 Gulden 1708 an den Grenadierhauptmann Günther, der im Dienst des Erbprinzen gestanden hat und die Soldaten der St. Georgener Kaserne befehligt.

Im Jahr 1705 wird ihm eine besondere Ehre zuteil: er wird als einer der Ersten zum Ordensritter des vom Erbprinzen Georg Wilhelm gestifteten „Ordens de la sincérité“ (später als Roter-Adler-Orden bezeichnet) ernannt, was danach auf etwa 300 Ernennungen anwächst. Da die Sophienkirche zum Zeitpunkt des Todes von Georg Christoph Ratiborsky noch nicht fertig gestellt ist, ist auch kein Wappen von ihm aufgehängt worden[40].

Eine späte Würdigung Georg Christoph Ratiborsky von Sechzebus – dem Enkel der Elisabeth Lochner von Palitz – findet sich schließlich bei Johann Gottfried Klöppel, der in seinen Briefen über die fränkischen Fürstentümer Bayreuth und Ansbach, berichtet[41]:

„Unter den vorigen Oberamtleuten zeichnet sich ein gewisser Ratiborsky von Sechzebus aus, welcher vor ohngefehr etlichen und 60 Jahren das Schloss Streitberg noch bewohnte. Er übertraf an Entschlossenheit und Tapferkeit alle seine Vorfahren und verteidigte die von den Grenznachbarn mit Ungebühr angefochtene Gerechtsame seines Landesherrn bei jeder Gelegenheit mit solchem Eifer, dass sie nicht selten mit blutigen Köpfen zurückgewiesen wurden“.-

* * *

Ihre Vorfahren:

Sebastian Stockhorner von Starein
? – 1661/1662

oo 25.7.1622
Anna Maria Artstetter
? – 14.9.1646
(ihre Eltern: Christoph Artstetter und Anastasia)

Ihr einziger Sohn:

Johann Friedrich Stockhorner von Starein
23.8.1627 – 1669 (in Prag)

  • erbt 1661 Güter zu Heinreichs und Jaudlingen in Niederösterreich, unweit der böhmischen Grenze zu Budweis
  • mit 18 Jahren im August 1645 zur Kavalierstour von Wien aus
  • über Genf dann im März 1646 nach Frankreich, verweilt in Saumur und dann noch 6 Monate in Paris
  • März 1647 in Leyden, Niederlande, schließt Bekannt- und Freundschaften mit diversen Gelehrten wie Salmasius, Heinsius und Spanheim
  • August 1647 kehrt er über Regensburg nach Wien zurück
  • findet seinen Vater in Trauer über den Verlust seiner am 14.9.1646 verstorbenen Gattin vor

oo 26.1.1649 in Wien („überaus glückliche Ehe“)
Anna Apollonia Gräfin Geyer von Geyersberg und Osterburg
(Tochter von Christof Adam Graf Geyer von Geyersberg und Osterburg)

  • Ehe ist nach evangelischem Ritus in der St. Michaelskirche geschlossen worden;
    die einzige protestantische Kirche, die damals in Wien existiert
  • wohnen beim Schwiegervater „im schwedischen Haus“ am Kohlmarkt in Wien
  • nach dem Tod 1669 haben die Jesuiten im Auftrag des Kaisers im Sinn der Gegenreformation jeweils den Auftrag, vor allem jüngere Söhne unter Vormundschaft zu bekommen, so dass die Kinder rekatholisiert aufwachsen
  • deshalb bringt ein treuer Diener des Johann Friedrich Stockhorner von Starein names Proyer die Söhne außer Landes, so dass offiziell die Mutter guten Gewissens sagen kann, „…sie wisse nicht, wo sie sich befänden!“
  • Proyer bringt die Kinder über Ödenburg (heute Sopron in Ungarn) und Preßburg (heute Bratislava, Hauptstadt von Slowenien) nach Regensburg und schließlich Frankfurt am Main

.

Sie haben zusammen 4 Söhne und 5 Töchter (davon bekannt):

die älteste Tochter ist Anna Polyxena Stockhorner von Starein

  • Maria Regina Stockhorner von Starein
    oo Baron Ernst Siegfried Etter von Zwernbach und Grabeneck
    (als protestantische Exulanten geflüchtet und aus altem Adel von Niederösterreich stammend,
    erwerben sie im Fränkischen bei Coburg das Rittergut Heldritt – heute Ortsteil der Stadt Bad Rodach)
  • Rosina Elisabeth Stockhorner von Starein oo Rittmeister von Stein
  • Dorothea Katharina Stockhorner von Starein
    1663 – 1699
    tritt vor ihrer Ehe in württembergische Dienste als Hofdame
    oo im Juni 1693 – den letzten Spross einer schwäbischen Adelsfamilie: Johann Philipp von Sperberseck
  • Hans Ernst Stockhorner von Starein
    studiert an der protestantischen Universität der Reichsstadt Nürnberg in Altdorf (verstirbt bald)
  • Christoph Sebastian Stockhorner von Starein
    1652 – 31.10.1724 (Nürnberg)
  • nach Studium an der protestantischen Universität der Reichsstadt Nürnberg in Altdorf
  • geht er in schwedische Dienste
  • gerät in brandenburgische Gefangenschaft
  • danach geht er nach Sachsen: wird Geheimer Rat und Kammerdirektor beim Herzog von Sachsen-Gotha-Meiningen-Salfeld in Coburg
  • oo 1. 1680 in Kursachsen
    Sabine von Milckau-Alberada (1648 – 1713 in Coburg)
    oo 2. ? von Künßberg

Sie haben 1 Tochter und 1 Sohn:

Karl Albrecht Stockhorner von Starein
28.8.1680 in Coburg – 11.6.?
oo 11.1.1721

  • Hofrat und Kammerjunker zu Meiningen
  • Universalerbe von Anna Polyxena Ratiborsky von Sechzebus bzw. von Gabo
  • (andere Geschwister erhalten nur ein Legat von 2.100 fl.):
    Seine o.g. Tante verzichtet am 10.3.1719 für ihn auf die beiden Güter in Niederösterreich (Heinreichs und Jaudlingen)
    (sie lebt offensichtlich im evangelischen Damenstift zu Wasungen, ins Leben gerufen von Bernhard Marschalk von Ostheim)

Quelle:
Familienarchiv der Freiherrn Stockhorner von Starein
Landesarchiv Baden-Württemberg
Abteilung Generallandesarchiv Karlsruhe „69 von Stockhorn“

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  1. Sechzebus = eingedeutscht für tschechisch „Chcebuze“, das Dorf Zebus bei Steti nad Labem (= Wegstädtl an der Elbe), Bezirk Leitmeritz, Nordtschechien

  2. http://www.wikiwand.com/de/Vladike

  3. aus: „Das Literatenbuch zu Luditz“ – Bohemia: oder Unterhaltungsblätter für gebildete Stände, Ausgabe 1

  4. T. Karel – V. Knoll – L. Krčmář: „Panská sídla západních Čech – Karlovarsko“, České Budějovice, 2009
    tschechisch: „Okolo roku 1450 ves ziskal Janek z Chczebuze, predek rodu Ratiborskych ze Chcebuze, kteri zede sidlili az do pocatku 17. Stoleti“.
    „..um das Jahr 1450 übernahm Janek von Chczebuze, der Vorläufer der
    Familie Ratibor von Chebbuze, das Dorf und (sie) blieben dort bis Anfang des 17. Jahrhunderts“

  5. http://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/ratibor-goticka-tvrz – siehe Anhang: Literatur

  6. Berthold Schmidt: „Burggraf Heinrich IV. zu Meißen, Oberstkanzler der Krone Böhmens und seine Regierung im Vogtlande“, Gera, 1888

  7. Ernst August Büttner: „Der Krieg des Markgrafen Albrecht Alcibiades in Franken 1552–1555“, Dissertation an der Universität Göttingen, Göttingen, 1908
  8. http://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/vladorice-tvrz – siehe Anhang: Literatur

  9. http://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/ratibor-goticka-tvrz – siehe Anhang: Literatur

  10. https://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/martice-maroditz – siehe Anhang: Literatur

  11. www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/skoky – siehe Anhang: Literatur

  12. https://otasek.pravnickyslovnik.cz/index.php/Ratiborsk%C3%BD_ze_Chcebuze – CZ: Titulek: Ratiborský ze Chcebuze –
    Zdroj: “Ottův slovník naučný”, Jedenadvacátý díl, Praha/Prag, J. Otto, 1904

  13. Ernst Heinrich Kneschke: „Neues allgemeines Deutsches Adelslexikon“, Band 3, Leipzig, 1861, S. 13

  14. StA BA Rep. A 233 Nr. 2658 – 2696

  15. Hochzeit 1690 verzeichnet bei Joachim Sauerbrey – Anna Polyxena ist um 1700 in 2. Ehe verheiratet mit Karl Ebrian von Gabo, Oberjägermeister in Olmütz/Mähren (siehe Anhang)

  16. Peter Borowitz / Ruth Bach-Damaskinos: „Schlösser und Burgen in Oberfranken, Nürnberg, 1996

  17. Eduard Margerie: „Die Herren von Wirsberg – Urkundenauszüge von 1138–1719 (Teil 1)“, Wirsberg, 1957 und

    Eduard Margerie: „Die Herren von Wirsberg – Urkundenauszüge von 1138–1719 (Teil 2)“, Wirsberg, 1960

  18. StA BA Rep. A 233 Nr. 2697, 2698 und 2701, 2706

  19. Franz Brumme: „Das Adelsgeschlecht von Erffa“, erschienen 1899 – Reprint-Auflage im Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza, 1994

  20. Ernst Heinrich Kneschke: „Neues allgemeines deutsches Adelslexikon“, Band 3, Verlag von Friedrich Voigt, Leipzig, 1861, S. 476–477
  21. Karl Müssel: „Fränkischer Heimatbote“, Monatsbeilage „Nordbayerischer Kurier“, 18. Jahrgang, 1985

  22. Sechzebus = eingedeutscht für tschechisch „Chcebuze“, das Dorf Zebus bei Steti nad Labem (= Wegstädtl an der Elbe), Bezirk Leitmeritz, Nordtschechien

  23. https://www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/martice-maroditz – siehe Anhang: Literatur

  24. Stadtarchiv Hof, Bestand M, Nr. 73 „Aus der Geschichte der ältesten Lehenshöfe“ von Hans Hofer

  25. Stadtarchiv Hof, Bestand M, Nr. 73 „Aus der Geschichte der ältesten Lehenshöfe“ von Hans Hofer

  26. https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Gallas
  27. www.kirche-koeditz.de

  28. Adelslexikon „Genealogisches Handbuch des Adels“ (GHdA), Band 134, 2004

  29. www.wikipedia.de

  30. www.dorfgemeinschaft-nagel.de

  31. www.geneanet.de – Stammbaum der Künßberg – betrieben von Reichsfreiherr Daniel von Künßberg-Wernstein

  32. www.dorfgemeinschaft-nagel.demit freundlicher Genehmigung von Autor Rainer Vormbrock (aktuell Eigentümer von Schloss Nagel)

  33. www.dorfgemeinschaft-nagel.demit freundlicher Genehmigung von Autor Rainer Vormbrock (aktuell Eigentümer von Schloss Nagel)

  34. Karl Müssel: „Fränkischer Heimatbote“, Monatsbeilage „Nordbayerischer Kurier“, 18. Jahrgang, 1985

  35. Staatsarchiv Bamberg, C13 Nr. 9405

  36. Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, GL 155 U 43 – Stetten im Remstal, Kammerschreibereiamt,
    2. Urkunden und Urkundenabschriften

  37. meint der Bayreuther Geschichtsschreiber Johann Georg Heinritz im Beitrag für das Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken, Heft 1, 1842

  38. Bernd Mayer: „Kleine Bayreuther Stadtgeschichte“, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 48

  39. Hans Joachim Bauer: „Barockoper in Bayreuth“, Verlag Laaber, Lilienthal bei Bremen, 1982, S. 5

  40. Karl Müssel: „Fränkischer Heimatbote“, Monatsbeilage „Nordbayerischer Kurier“, 18. Jahrgang, 1985

  41. Johann Gottfried Klöppel: „Briefe über die fränkischen Fürstentümer Bayreuth und Ansbach“, Verlag Walther, Erlangen, 1794

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