03 HISTORIE Hans III. Ungnad von Weissenwolff

Sohn der Margarethe Lochner von Liebenfels

Hans III. Ungnad von Weissenwolff,
Freiherr von Sonnegg, Kärnten

19.11.1493 – 27.12.1564


Hans III. Ungnad von Weissenwolff ist, als mit der Verteidigung gegen die Türken befaßter Landeshauptmann der Steiermark (1530 – 1554) und Förderer der Reformation, einer der einflußreichsten Adeligen der Habsburgermonarchie – das bemerkt Prof. Mark Hengerer von
der Ludwig-Maximilian-Universität zu München[1].

Der österreichische Historiker Bernhard Zimmermann (Bernd Z.) setzt diesem außergewöhnlichen Mann ein bleibendes Denkmal mit seinem Artikel[2]

Türkenheld und Glaubensstreiter

(Wie bekannt, gibt es) „…mehrere Türkenbelagerungen Wiens, 1529 und 1683, doch ist die akute Bedrohung des einzelnen durch dieses mächtige Reich für den Menschen des 20. Jahrhunderts kaum noch nachzuempfinden. Bereits im 15. Jahrhundert hat es türkische Einfälle in unseren Raum (Anm.d.Verf.: Österreich) gegeben. Diese Raubzüge, vor allem nach Kärnten und in die Steiermark, versetzten die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Als jedoch 1521 mit dem Fall Belgrads und 1526 durch die unglückliche Schlacht bei Mohacs auch der größte Teil Ungarns in osmanische Hände fiel, hatte die Stoßkraft der islamischen Heere die Grenzen der habsburgischen Länder erreicht. Die Grausamkeit der türkischen Soldaten und das Mitführen vieler Gefangener in die Sklaverei wurde durch Berichte und Flugschriften überall bekannt. Die Furcht vor diesem Gegner wuchs, da die militärischen Gegenmaßnahmen Ferdinand I. aufgrund ständiger Finanznöte unzureichend ausfielen. Kaiser Karl V. (dessen Bruder) waren durch die Kriege mit dem französischen König Franz I. die Hände gebunden, sodass auch er seinem Bruder keine entscheidende Hilfe in der Türkenabwehr leisten konnte.

In dieser Zeit ständiger Kriegsfurcht übernahm im Jahre 1530 ein Mann die Landeshauptmannschaft der Steiermark, der zu einem der bedeutendsten Führer der österreichischen Protestanten in den ersten Reformationsjahrzehnten werden sollte. Hans Ungnad, Freiherr von Sonnegg, erhielt dieses hohe Amt als Nachfolger Siegmund von Dietrichsteins, dessen Eintreten für die neue Lehre bereits den Keim für ein rasches Erstarken des Protestantismus in Innerösterreich gelegt hatte.

Durch das Näherrücken der Front gegen den osmanischen Feind war die Steiermark zu einem Zentrum in der Organisation der Abwehrmaßnahmen geworden. Mehrmals wurden die steirischen Stände von Krain und Kroatien erfolgreich um Hilfe gebeten. Zu den Aufgaben der Behörden und des Landeshauptmanns an ihrer Spitze gehörte es in jenen Jahren vornehmlich, für den Schutz und die Sicherheit des Landes zu sorgen. Ungnad schaffte Waffen, Geschütze, Munition herbei, ließ Proviantmagazine errichten, warb Truppen an, sorgte für das Anlegen von Verhauen in den Tälern und erneuerte das Warnsystem der „Kreidfeuer“. Fast noch wichtiger als diese Verteidigungsmaßnahmen war jedoch das Aufbringen der dafür notwendigen Finanzmittel. Auf den Landtagen verstand er es als Vertreter und Beauftragter des Landesfürsten, die Vorschläge der Regierung zu begründen und die Stände zu bewegen, Geld und Truppen im Kampf gegen die Türken und gegen Zápolya[3], den ungarischen Gegenkönig und türkischen Vasallen, zu bewilligen. Bei Ausschusslandtagen, den Zusammenkünften mehrerer habsburgischer Länder, wurde Ungnad oft zum Wortführer der Gesandten der am meisten bedrohten Länder. Auch auf mehreren Reichstagen schilderte er mit Nachdruck den versammelten Fürsten die Größe der im Osten drohenden Gefahr, um sie für eine Reichshilfe gegen die Türken zu gewinnen.

Als Folge der verfehlten türkischen Planung musste 1529 zwar die Belagerung Wiens abgebrochen werden – in jenen „glücklicheren“ Zeiten ruhten noch während der Wintermonate die kriegerischen Auseinandersetzungen – doch waren dadurch die osmanischen Aggressionsbestrebungen keineswegs gebrochen. Bereits drei Jahre später, 1532, setzte das Herannahen eines türkischen Heeres von etwa 200.000 Kriegern unter der Führung Sultan Süleymans I. die Bevölkerung in Schrecken. Verzögert durch die Belagerung der von Niklas Jurischitz heldenmütig verteidigten kleinen westungarischen Stadt Güns und abgehalten durch die Nachricht eines bei Wien lagernden Reichsheeres, das sich nicht zu einer von ihm erhofften offenen Feldschlacht in den weiten Ebenen Ungarns gestellt hatte, beschloss der Sultan den Rückzug. Noch vor Eintreffen des kaiserlichen Heeres in Wien waren jedoch 16.000 „Akindschi“ (= leichte türkische Reiterei), in der Oststeiermark und im südlichen Niederösterreich eingefallen. Durch ihre Beweglichkeit waren diese als „Renner und Brenner“ bekannten Truppenteile besonders gefürchtet, da sie auch in abseits der Heerstraße gelegenen Dörfern und Einzelgehöften mordeten, plünderten und brandschatzten.

Unter ihrem Anführer Kasim Bey waren sie bis zur Enns vorgedrungen. Um König Ferdinand zu schützen, der sich mit seiner Familie nach Linz geflüchtet hatte, eilte Hans Ungnad an der Spitze von 1000 schweren Reitern nach Oberösterreich. Bei Gleink in der Nähe Steyrs konnte er eine Abteilung der feindlichen Truppen in die Flucht schlagen.

In Linz erfuhr er vom Rückzug des Sultans mit dem Hauptheer. Auch Kasim Bey trat den Rückzug an, um den Zusammenhang mit der Hauptmasse der Truppen nicht zu verlieren. Nun erschien aber Graz durch Süleyman ernstlich gefährdet. Eilends musste Ungnad daher seine Reiter wieder in die Steiermark führen. Glücklicherweise war der Sultan jedoch bereits an Graz vorbeigezogen. Daraufhin eilte Ungnad neuerdings nach Norden, wo man das Ausbrechen der Truppen des Kasim Bey aus den Gebirgstälern in die Ebene des Steinfeldes erwartete. In der Schlacht bei LeobersdorfEnzesfeld wurden sie von an Zahl und Material überlegenen Reichstruppen unter Friedrich II., Pfalzgraf bei Rhein, und dem kühnen Sebastian Schertlin von Burtenbach entscheidend geschlagen. Einigen Tausend gelang die Flucht. An der Schwarza, im Föhrenwald zwischen Wiener Neustadt und Fischau, wurden sie jedoch vom Feldhauptmann Hans Katzianer, Hans Ungnad und Paul Bakic mit seinen ungarischen Husaren zu einem neuerlichen Gefecht gezwungen. Den sicheren Tod vor Augen kämpften die Türken mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Übermacht der christlichen Truppen und wurden bis auf wenige niedergemacht. Mit Stolz erinnerte sich Ungnad an seinem Lebensabend dieser Kämpfe, wie viele Feinde er getötet und wie viele Pferde er an diesem Tag verloren habe. Solche Kampfeslust mag uns heute abstoßen, ist jedoch aus den besonderen Voraussetzungen im Streit mit den „Ungläubigen“ – auf welcher Seite immer -, seien es nun Christen oder Muslime, zu verstehen.

Leider ließen sich die Reichstruppen nicht bewegen, dem abziehenden Feind nachzueilen, um vielleicht einige türkische Eroberungen in Ungarn, also schon jenseits der Reichsgrenzen, zurückzugewinnen. Wenn auch die Ereignisse des Türkenjahres 1532 der Nachwelt nicht so allgemein bekannt sind wie etwa die von 1529, so wurde aber vor nun mehr als 450 Jahren doch dem Feinde Einhalt geboten. Über 150 Jahre, nämlich bis 1683, war unsere Heimat (Anm.d.Verf.: Österreich) nicht mehr unmittelbar von türkischen Heerscharen bedroht.

Die allgemeine politische Lage ließ den steirischen Landeshauptmann allerdings nicht zur Ruhe kommen. Im Sommer und im Frühherbst 1536 findet man ihn an der Spitze eines Kontingentes innerösterreichischer Soldaten im Piemont, um die Truppen Karls V. im Kampf gegen Franz I. von Frankreich zu verstärken; 1537 nimmt er an dem für die habsburgischen Truppen so unglücklichen Zug zur Rückeroberung von Esseg in Slawonien teil. Nachdem die Eroberung der Stadt aussichtslos erschien, empfahl Ungnad, die durch Seuchen und Lebensmittelmangel geschwächten Mannschaften zurückzuziehen. Uneinigkeit der Führer und Fehler des Oberkommandierenden Katzianer bewirkten den verfrühten Abzug einzelner Truppenteile. Die Zurückgebliebenen wurden von den Türken umzingelt und vernichtet. Da auch Ungnad vorher abgezogen war, musste er sich deshalb vor König Ferdinand und den Ständen verantworten. Es gelang ihm, sich zu rechtfertigen und seinen Ruf zu retten.



Das Vertrauen zu ihm und in seine militärischen Fähigkeiten wurde durch die auf wiederholte Bitten der österreichischen Stände – am 12. Januar 1540 erfolgte Ernennung zum „Generalcapitän der fünf niederösterreichischen, windischen und kroatischen Lande“ (damit ist der Oberkommandiere gemeint) bestätigt. Anfang 1542 bürdete man ihm zu all seinen anderen Pflichten auch noch die eines niederösterreichischen Statthalters auf. Als solcher hatte Ungnad Sitz und Stimme in der Regierung. Dieses neue Amt musste er jedoch bald in die Hände eines Vertreters legen. Im Sommer 1542 nahm er nämlich an der Spitze von 10.000 Reitern am Kriegszug unter dem Reichsfeldherrn Joachim von Brandenburg zur Befreiung von Ofen und Pest teil. Mit seiner Kavallerie konnte er natürlich in die Belagerung nicht eingreifen. Mit Erfolg deckte er aber den Abzug des Reichsheeres und konnte die nachrückenden Türken bis vor die Mauern Pests zurückschlagen. In Anerkennung dieser Leistungen ernannte Ferdinand Ungnad zum Oberbefehlshaber der königlichen Truppen in Ungarn. Mit vollkommen unzulänglichen Mitteln ausgestattet, konnte Ungnad nicht verhindern, dass 1543 in einem von Süleyman selbst befehligten Eroberungszug eine Reihe ungarischer Städte in die Hände der Türken fiel. Trotzdem gelang es ihm, in bedrohten Gebieten durch geschickte militärische Taktik den Feind zu täuschen, wodurch Schlimmeres verhütet werden konnte. Da Ungnads wiederholte Forderungen um Verstärkungen nichts fruchteten, bat er den König um Entlassung aus der obersten Feldhauptmannschaft. Alle Versuche, ihn umzustimmen, scheiterten. Doch auch weiterhin wandte man sich immer wieder in militärischen Fragen an Ungnad um Rat.


Die Familie Ungnad von Weissenwolff, aus altem Kärntner Adel (und wahrscheinlich fränkischen Ursprungs), hatte bereits im 15. Jahrhundert Einfluss und Reichtum gewonnen. Sowohl der Großonkel als auch der Großvater Hans Ungnads waren enge Berater Kaiser Friedrichs III. (Anm.d.Verf.: Habsburger) gewesen. Privilegien, vor allem für ihr Eisenbergwerk Waldenstein, legten einen Grundstein zum Reichtum der Familie. Hauptsächlich in Kärnten, später auch in Kroatien, besaß die Familie weitere Bergwerke. Die darin gewonnenen Erze wurden zum Teil auch in eigenen Produktionsstätten weiter veredelt.

Hans III. Ungnad ist ….(am 19.11.1493)… geboren worden. Nach einer Erziehung am Hofe Kaiser Maximilians I. wurde er zuerst von Kärnten, dann von der Steiermark für politische und militärische Dienste herangezogen. Mit den Gedanken der neuen Lehre dürfte er schon bald in Kontakt gekommen sein. Auch in der Steiermark war ja die Unzufriedenheit breiter Bevölkerungskreise mit den Zuständen in der Kirche spürbar. Die Nachrichten über Reformbestrebungen des Wittenberger Augustinermönches wurden gerade von den führenden Kreisen, dem Adel, mit Interesse aufgenommen. Sehr wahrscheinlich hat Ungnad bereits während der Landeshauptmannschaft Dietrichsteins vom Geist der Reformation erfüllte Predigten auf der Grazer Burg gehört. (…)

Schon bald nach Übernahme seiner neuen Stelle als Landeshauptmann wurde Ungnad mit der religiösen Frage konfrontiert. Ebenso wie sein Amtsvorgänger Dietrichstein bekam er es mit dem Vorhandensein von „Wiedertäufern“ zu tun. Diese reformatorische, aber auch soziale Bewegung hatte in der Steiermark Anhänger gefunden. Sie wurde von Kirche und Staat, aber auch von den lutherisch gesinnten Ständen erbittert verfolgt. Hatte Dietrichstein im Brucker Wiedertäuferprozess noch zwölf „Brüder und Schwestern“ hinrichten lassen, so versuchte Ungnad durch das Einsetzen von „Pönitential-Kommissären“ die Wiedertäufer durch Überzeugung von ihrer Lehre abzubringen. Ungnad hielt sie für „fromme, einfältige Leute“ und äußerte sich, dass er es nicht über sich brächte, einen Menschen um des Glaubens willen töten zu lassen. Dennoch musste er später dem Druck des Königs nachgeben und konnte ebenfalls Hinrichtungen nicht verhindern.

Die neuen Lehren fanden zunehmend Anklang, hatten aber in den ersten zwei, drei Jahrzehnten nach dem Auftreten Luthers in den österreichischen Ländern noch keinen allgemeinen Durchbruch erreicht. König Ferdinand bemühte sich, durch Erlässe und Strafmaßnahmen die Verbreitung dieser geistigen Bewegung zu unterbinden. Außerdem versuchte er durch eine Reihe von Maßnahmen, die Kirchenzucht und -ordnung zu heben, um damit den Grund der Unzufriedenheit aus der Welt zu schaffen. In starkem Maße wurden Adelige zu den Vorkämpfern einer eigenständigen evangelisch-kirchlichen Bewegung. Der oft gehörte Vorwurf, der Adel sei hauptsächlich an den Gütern der Kirche interessiert gewesen, mag wohl für einige zutreffen, verleugnet aber das Gewinnen einer glaubensmäßigen Überzeugung. Ohne Zweifel kam es zu einer Umschichtung von geistlichen Gütern in adelige, aber auch bürgerliche Hände. Dies ist jedoch auch darauf zurückzuführen, dass Ferdinand I. wegen des enormen Finanzbedarfes für die Türkenabwehr gezwungen war, die Kirche zur verstärkten Steuerleistung heranzuziehen. Durch die „Terz“ und später die „Quart“ mussten etliche, vor allem wirtschaftlich schwächere oder durch Misswirtschaft herabgekommene Klöster einen Teil ihres Grundbesitzes veräußern. Diesen dann zu erwerben, waren kapitalmäßig vor allem der Adel und das zu gesellschaftlichem Aufstieg drängende reiche Handelsbürgertum in der Lage. Außerdem waren es nicht nur evangelische Adelige, sondern auch Familien, die sich stets zur katholischen Kirche bekannt haben. Oft suchte man nur jene Güter zurückzuerhalten, die einst von den Vorfahren Pfarren und Klöstern gestiftet worden waren.

Die protestantischen Stände wurden oft auch beschuldigt, im Kampfe um die Glaubensfreiheit den Staat unter Druck gesetzt und dadurch den Türken Vorschub geleistet zu haben. Doch selbst am Höhepunkt ihrer Macht standen die Führer der Protestanten in den österreichischen Ländern ihrem Herrscher loyal gegenüber. Sie haben sich nicht an Aufständen beteiligt wie etwa in Böhmen und Ungarn. Als ein Beispiel dafür, wie staatstragend der evangelische Adel sein konnte, kann eine Initiative Ungnads aus dem Jahre 1541 gelten. Von der Notwendigkeit einer engeren Bindung der habsburgischen Länder durchdrungen, legte er Ferdinand ein Programm vor: Die durch den Herrscher vereinten, aber sonst ängstlich auf ihre Selbständigkeit bedachten Länder sollten durch eine Vereinheitlichung der Verwaltung, durch gleichmäßige Steuereinhebung, durch eine einheitliche Erbfolge usw. enger miteinander verbunden werden. Dieser von der Forschung als Anfang der österreichischen Gesamtstaatsidee bezeichnete Plan war jedoch zu zukunftsweisend und wurde auf der Prager Ländertagung von 1541 nur zum Teil angenommen. Für die Geschichte der evangelischen Kirche Österreichs ist diese Zusammenkunft deshalb bedeutsam, weil hier erstmals gemeinsam von den Ständen vom Herrscher die Gewährung der „Augsburgischen Konfession“ erbeten worden ist. Ungnad als Sprecher der Abgesandten der Erbländer bat den König, um der Ehre Gottes willen zuzulassen, „dass Gottes Wort rein und lauter gepredigt werde, und dass er gegen niemand, der das Abendmahl unter beiden Gestalten nimmt, eine Ungnade tragen, sondern einen Stillstand bis auf ein allgemeines Konzil einhalten wolle“. (Am 13. November 1541 als er Kaiser Ferdinand I. eine Bittschrift überreicht, in der er um Freigabe der Spendung des Abendmahls in beiderlei Gestalt gebeten hat, bezeichnet er in seiner Schlussrede, „…das römische Kirchenwesen als „Abgötterei“[4]). Ferdinand antwortete, er sei geneigt, alle Missbräuche auszurotten, die Erledigung ihrer Bitten verweise er jedoch auf das Konzil.

Ungnad forderte daraufhin bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit die „raine gottliche leer“ und das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Diese Beharrlichkeit erregte den Unwillen des Herrschers. Mit immer schärferen Worten forderte er von Ungnad die strikte Einhaltung der königlichen Mandate gegen das um sich greifende Bekenntnis zur lutherischen Lehre. Ungnad, der zwischen seiner inneren Überzeugung und seinen Verpflichtungen als ausführendes Organ der Befehle des Landesfürsten entscheiden musste, reichte Ende 1553 seinen Rücktritt ein. Ferdinand, der ihn doch zuvor auch zum „Obristen Veldhauptmann an der windischen und crabatischen gränczen“ gemacht hatte, forderte ihn jedoch auf, seine Ämter wenigstens ein Jahr beizubehalten, da er seinen Platz in der gegenwärtigen militärischen Lage nicht so bald ersetzen könne.


Alle Versuche der Stände, Ungnad umzustimmen, waren vergeblich. Er fühlte sich gedrungen, die Heimat zu verlassen, da er seinen Lebensabend dort verbringen wollte, wo eine liebe „raine Kirch“ ist. Dieser Entschluss zum freiwilligen Exil erregte großes Aufsehen, da Ungnad nicht nur in den österreichischen Ländern, sondern auch im Reich hohes Ansehen genoss (…und mit vielen Fürsten im Reich in stetigem Briefwechsel stand, wie Landgraf Philipp I. von Hessen seit 1541 und sein jüngerer Bruder Andreas, Fürst Joachim von Anhalt, Kurfürst August von Sachsen und dessen Bruder Moritz von Sachsen, sowie Herzog Albrecht von Preußen – Markgraf von Brandenburg-Ansbach, und Herzog Christoph von Württemberg – siehe 04 BRIEFWECHSEL Hans III. Ungnad).




In der zweiten Jahreshälfte 1555 wandte er sich nach Wittenberg. Von dort versuchte er, durch seine weitgespannten Beziehungen im Reich für eine neue politische Einigung der evangelischen Fürsten zu arbeiten. Es enttäuschte ihn sehr, dass Melanchthon seine Pläne nicht unterstützte. Dieser betonte die Unmöglichkeit, zu einer vorher notwendigen Verständigung der einzelnen Theologenschulen zu gelangen. Angewidert vom Streit der Theologen, oft um dogmatische Spitzfindigkeiten, nahm er eine Einladung Herzog Christophs von Württemberg an, in sein Land zu kommen.






Herzog Christoph, einer der eifrigsten Förderer der Reformation, setzte ebenso wie Ungnad große Hoffnungen auf eine Einigung aller Evangelischen durch einen Fürstentag. Ungnad, der mit den politisch regsten Führern der Protestanten, Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Albrecht von Preußen, in Briefwechsel stand, konnte Christoph in mehreren diplomatischen Missionen gute Dienste leisten. Im ehemaligen Stift von Urach, das ihm vom Herzog zur Verfügung gestellt wurde, begann nun ein Abschnitt in der Geschichte der Reformation, der stets mit dem Namen Ungnads verbunden sein wird. Das Wort Gottes den Menschen in ihrer Muttersprache nahezubringen, gehört zu den Grundanliegen der Reformation. In diesem Bestreben hatte der aus Glaubensgründen aus seiner slowenischen Heimat vertriebene Domherr Primoz Trubar einige Teile des Neuen Testamentes in seine Muttersprache übersetzt und drucken lassen. Mangels Unterstützung konnten diese Drucke jedoch nicht die erhoffte Verbreitung finden. Als Truber sich mit dem Freiherrn Ungnad in Verbindung setzte, fand er in diesem einen begeisterten Anhänger seiner Bestrebungen. Im Stift von Urach wurde eine Bibelanstalt begründet, die innerhalb der wenigen Jahre ihres Bestehens Grundfesten legte für die Reformation bei den Slowenen und Kroaten. Ungnad verstand die Aufgabe, den südslawischen Völkern die „reine Lehre“ in ihren Muttersprachen zu vermitteln, nicht nur als einen Auftrag des Glaubens. Der alte Feldherr sah darin auch eine politische Notwendigkeit, denn nur eine Ausbreitung des Evangeliums und die dadurch ausgelöste Glaubensfestigung könne die bedrohten Länder stark genug machen, dem Ansturm des türkischen Erbfeindes standzuhalten (…). In diesem Lichte muss man auch die Missionierungsversuche in den türkischen Gebieten sehen, die von Ungnad und seinem Kreis geplant wurden. Für die Übersetzungen ins Kroatische gewann Ungnad neben anderen zwei Priester aus Istrien, Stephan Consul und Anton Dalmata, die wegen ihrer protestantischen Gesinnung in ihrer Heimat amtsenthoben waren.



In den kurzen Jahren (1561-1565) der „Windischen, Chrabatischen und Cirulischen Trukherey“ entstanden 37 Druckwerke mit Übersetzungen von Bibelteilen und Reformationsschriften in ca. 31.000 Exemplaren. Vor allem für die slowenische Sprache sind diese Bücher von entscheidender Bedeutung, da sie den Beginn ihrer gedruckten Literatursprache überhaupt bilden. Ungnads Verdienst liegt nicht nur in der Bereitstellung großer Summen aus seinem eigenen Vermögen, sondern auch in seinem unablässigen Bemühen, bei Fürsten und Reichsstädten Unterstützung für das Unternehmen zu finden (heute hätte man gesagt: er startet ein Crowd-funding zur Übersetzung der Lutherbibel. Dies ist der Grund, warum bis dato in den Balkanstaaten Kroatien und Slowenien lateinische Buchstaben verwendet werden und nicht kyrillisch!).

Wie sehr sein Sendungsbewusstsein und seine Tatkraft dieses Werk getragen haben, wird dadurch deutlich, dass bereits wenige Monaten nach seinem am 27. Dezember 1564 erfolgten Tod die Arbeiten eingestellt wurden. Er, der aus Gewissensgründen bereits die Heimat verlassen hatte, bevor noch evangelisches Leben in den österreichischen Landen seinen Höhepunkt erreichte, musste nicht mehr erleben, dass der raue Wind der Gegenreformation jene Keime, die er durch sein Werk bei den südslawischen Völkern legte, fast restlos zerstörte“.-

Zu ergänzen wäre, dass Hans III. Ungnad, als er ins Exil nach Sachsen geht, seine Ländereien seinen Kindern aus erster Ehe überschreibt, und eine ehemalige Nonne, Magdalena Gräfin von Barby, am 1. Juli 1555 heiratet, wie weiland Luther Katharina von Bora.

Mit dem protestantisch-gesinnten liberalen Kaiser Maximilian II. (Sohn Ferdinands I. – siehe unten rechts), der 1562 zum böhmischen König ernannt wird, will sich Hans Ungnad 1564 an Weihnachten scheinbar noch einmal an einen Tisch setzen, um über die Glaubensfreiheit für die österreichischen Erblande zu diskutieren – er gibt nie auf!


Er weiß: das Ziel Maximilians II. ist stets „eine friedliche und dauerhafte Koexistenz von Luthertum und Katholizismus. Dieser Kaiser versteht sich als Bewahrer des Augsburger Religionsfriedens und regiert und handelt, auch als Landesherr in Teilen des Erzherzogtums Österreichs, in diesem Sinne. In seiner Regierungszeit erlebt der Protestantismus dort eine „Hochzeit“ in seiner Bedeutung“[5]. Und es wird gemunkelt, Hans III. Ungnad hätte ihn „in der Religion verfierdt“.


Doch zu diesem hochwichtigen Termin soll es nicht mehr kommen: nach einem Zwischenhalt in Böhmen bei seiner Schwester Gräfin Schlick, verstirbt er am 27.12.1564. Er wird nach Württemberg überführt. Es wird ihm die Ehre eines Grabes zuteil direkt neben dem württembergischen Herrscher in der Tübinger Stiftskirche St. Georg, der Grablege der Herzöge von Württemberg. Grabinschriften sind erhalten, jedoch sein Zinnsarg wird 1891 gestohlen und eingeschmolzen.-


  1. Prof. Dr. Mark Hengerer – Ludwig-Maximilian-Universität (LMU), München: „Kaiser und Höfe. Personendatenbank der Höflinge der österreichischen Habsburger“-


    im Internet unter: www.kaiserhof-lmu.de (Hans III. Ungnad = LMU-KH-Nr. 13439 –


    Margarethe Lochner von Liebenfels: LMU-KH-Nr. 13928)

  2. Bernhard Zimmermann (= Bernd Z.): – „Türkenheld und Glaubensstreiter. Hans Ungnad, Freiherr von Sonnegg“, in: Glaube und Heimat. Evangelischer Kalender für Österreich, 36. Jahrgang, 1982, S. 7 – 81

  3. Johann Zapolya wird von den ungarischen Ständen als Gegenkönig ausgerufen nach der Schlacht von Mohacs, als die Türken siegen und Ungarn an diese fiel. Da der ungarische König Ludwig I. in dieser Schlacht gefallen ist, treten die Habsburger in die Erbfolge, wie in den Eheverträgen der Doppelhochzeit festgeschrieben unter Kaiser Maximilian I.

  4. Bernhard Hans Zimmermann (senior): „Hans Ungnad, Freiherr von Sonneck, als Förderer reformatorischer Bestrebungen bei den Südslawen“, Sonderdruck aus Südostdeutschen Forschungen 2, München, 1937, 1 – 23 – und Dragan Budes: „Die Reformation bei den Südslawen“, Diplomarbeit, Universität Wien, 2013, S. 42

  5. Manfred Rudersdorf: „Maximilian II.“ in: Die Kaiser der Neuzeit. München, 1990, S. 90 – Volker Press: „Maximilian II.“ in: Theologische Realenzyklopädie, Band 22, Berlin, 1992, S. 296

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